DTB-Team schaffte 1988 Davis-Cup-Sensation
Berlin (dpa) - Im Pyjama öffnete Niki Pilic den Siegern von Göteborg die Tür seines Hotelzimmers. So früh wollten sie ihn nicht schlafen lassen. Den ersten deutschen Davis-Cup-Triumph genossen Boris Becker, Carl-Uwe Steeb, Eric Jelen und Ersatzmann Patrik Kühnen ausgiebig mit ihrem Teamkapitän.
„Wir wollten feiern gehen, und Niki wollte ins Bett. Da haben wir gesagt: "Das geht nicht, so ein Tag kommt nicht zu schnell wieder" und haben die Nacht zum Tag gemacht"“, erzählt Steeb der Nachrichtenagentur dpa verschmitzt. „Niki ist ja nicht so der Discogänger, aber an dem Abend war er voll dabei.“
Der damals erst 21-jährige Steeb avancierte im Dezember 1988 beim Titelverteidiger und klaren Favoriten Schweden zum Helden. Als krasser Außenseiter kämpfte er im Auftakteinzel Mats Wilander nieder - die Nummer 74 der Welt gewann gegen die Nummer eins, die 1988 eine überragende Saison spielte und drei von vier Grand-Slam-Turnieren holte. Es war das Spiel seines Lebens, wie Steeb selbst sagt, so bedeutend und emotional wie kein anderes. „Es gab viele Komponenten zu sagen, dass Charly keine Chance hat. Aber im Davis Cup weißt du nie, was passiert“, erinnert sich Pilic.
Mehr als fünf Stunden harrte der Trainer auf der Bank aus, bis das 1:0 besiegelt und vor rund 12 000 Zuschauern im Scandinavium der Grundstein für den Erfolg im prestigeträchtigen Tennis-Wettbewerb gelegt war. Steeb hatte von der Sensation zuvor schon geträumt. „Wenn man dann aufwacht, bei manchen Träumen ist man dann froh, dass Dinge nicht wahr sind, aber bei dem war es natürlich wahnsinnig schade“, erzählt er. Aber es klappte ja. Mit dem bedingungslosen Glauben an sich selbst holte er einen 0:2-Satz-Rückstand auf, lag im fünften und entscheidenden Durchgang 2:5 hinten und wehrte mit einem riskanten Vorhand-Return einen Matchball ab. „Mehr Auf und Ab war nicht möglich“, kommentiert Steeb das 8:10, 1:6, 6:2, 6:4, 8:6.
Sein Freund Becker hatte ihm in einer Pause in der Kabine nach dem dritten Satz noch einmal Mut gemacht. „Das hat einfach noch mal doppelt angespornt, wenn unser Star in der Mannschaft noch mal so die Rückendeckung gibt“, schildert der Linkshänder.
Der Spitzenspieler selbst demonstrierte anschließend auf dem ungeliebten Sandplatz seine Klasse gegen Stefan Edberg, dem er im Wimbledon-Finale unterlegen gewesen war. Einen Tag später holte der ebenfalls 21-jährige Becker gemeinsam mit Eric Jelen gegen das Spitzendoppel Edberg/Anders Jarryd trotz eines 0:2 in den Sätzen noch den dritten Punkt - und machte schon vor dem Sonntag alles klar.
Becker ließ seinen Schläger fallen, umarmte Jelen, die anderen Spieler sprangen über die Bande. „Fast niemand hat gedacht, dass wir eine Chance haben. Aber mit unglaublichem Willen und mit dem Stolz, für das Land zu spielen, haben wir es geschafft“, bilanziert Pilic. Dass sie am 17. Dezember vor 25 Jahren Historisches leisteten, wurde den Spielern nicht sofort bewusst. „Das hat man erst rückblickend realisiert“, meint Steeb, der später ebenso wie Becker und Kühnen selbst das Davis-Cup-Team betreute.
Der Erfolg von damals zieht noch immer viel Aufmerksamkeit auf sich, die Sieger von Göteborg auch, zuletzt nicht immer im positiven Sinne. Ruhig ist es um Jelen geworden, der unter anderem in Essen junge Talente des Tennisverbandes Niederrhein trainiert. Für viel Kopfschütteln sorgte zuletzt der dreifache Wimbledonsieger Becker. Er lieferte sich unter anderem einen aufsehenerregenden Twitter-Austausch mit Oliver Pocher und trat gegen ihn bei RTL in einem Show-Wettkampf an.
Steeb will im kommenden Jahr beruflich neue Wege einschlagen. Im Spätsommer meldete er Insolvenz mit seiner Firma für Sportmarketing an und löste Unruhe im Deutschen Tennis Bund aus. Die Landesverbände forderten seinen Rücktritt aus dem Präsidium, Steeb kündigte wenig später seinen Rückzug an. Sein letzter Auftritt als Vizepräsident ist für die Partie Deutschland gegen Spanien geplant - im Davis Cup.