Entwicklungshilfe: Williams und Co. begeistern Türken
Istanbul (dpa) - Türkei und Tennis - das passte bislang nicht zusammen. Wie in Deutschland beherrscht auch am Bosporus der Fußball alles. Dennoch wird die Tennis-WM in Istanbul hervorragend angenommen.
Kennen Sie Cagla Buyukakcay? Die 23-Jährige ist die derzeit beste Tennisspielerin der Türkei. Auf Platz 176 der Weltrangliste wird Buyukakcay aktuell geführt, auf der Homepage der Frauentennis-Organisation WTA befindet sich nicht einmal ein Foto der jungen Dame. Kein einziges Mal schaffte sie es in diesem Jahr bei einem WTA-Turnier ins Hauptfeld. Tennis in der Türkei - das ist nach wie vor nur eine Randerscheinung.
Umso mehr verwunderte es, als die WTA ihre Weltmeisterschaft vor zwei Jahren ausgerechnet nach Istanbul vergab. Nach dem gefloppten Versuch in Doha hatten viele erwartet, dass die Dachorganisation ihr Premiumprodukt wieder in einem bereits etablierten Markt veranstalten würde. Stattdessen gingen die Bosse um WTA-Chefin Stacey Allaster erneut ins Risiko und vergaben den Saisonabschluss für viel Geld in die Tennis-Diaspora - mit Erfolg.
Denn auch wenn unter den Top 500 der Welt gerade einmal vier Türkinnen zu finden sind, wird das Turnier der besten acht Spielerinnen des Jahres in Istanbul begeistert angenommen. Anders als in Doha sind die Zuschauerränge schon an den Vorrunden-Tagen voll besetzt. Für die Halbfinals am Samstag und das Endspiel am Sonntag sind sogar bereits alle 13 741 Tickets im Sinan Erdem Dome vergeben.
„Die Türkei ist ein attraktiver Markt“, sagt Markus Günthardt. Der Schweizer ist in Istanbul als Turnierdirektor tätig, bringt sein Know- how aus Stuttgart ein, wo er sehr erfolgreich die dortige WTA-Veranstaltung betreibt. „Die Türken sind extrem sportbegeistert, das macht Spaß“, sagt der Bruder von Heinz Günthardt, einst Trainer von Steffi Graf.
Vor allem für die Superstars der Branche haben die Türken ein Faible. Wenn die beiden bereits für das Halbfinale der mit 4,9 Millionen Dollar dotierten Veranstaltung qualifizierten Tennis-Diven Serena Williams oder Maria Scharapowa die Arena betreten, flippen die Fans auf den Rängen regelrecht aus. „Die Atmosphäre ist einfach fantastisch“, sagte auch Angelique Kerber.
Die Kielerin wurde anfangs noch zurückhaltend empfangen, nach ihrer am Ende leider nicht vom Erfolg gekrönten Tennis-Gala gegen Victoria Asarenka wurde aber auch die deutsche Nummer eins frenetisch bejubelt. „Es ist ein unglaubliches Gefühl da draußen auf dem Platz“, meinte Kerber.
Sie hofft, auch im kommenden Jahr wieder in der Türkei dabei zu sein. Dann findet die WM wohl zum vorerst letzten Mal in Istanbul statt, der Dreijahresvertrag läuft aus. Dass dann eine türkische Spielerin dabei ist, ist nahezu ausgeschlossen. Doch dank des Erwerbs der WTA-Championships erlebt der Sport mit dem gelben Filzball im Land an der Schnittstelle zwischen Europa und Asien auch ohne heimischen Topstar einen Aufschwung.
„Wir haben große Fortschritte gemacht“, sagte Ayda Uluc, Präsidentin des Türkischen Tennis-Verbandes. 17 094 Männer und Frauen spielen inzwischen laut Verbandsangaben in 214 Vereinen Tennis. Vor allem bei Jugendlichen wird der Sport immer populärer. Und vielleicht gibt es irgendwann ja auch einmal eine türkische Serena Williams.