Federer am Ziel: Schweiz gewinnt den Davis Cup
Lille (dpa) - Nachdem sich Roger Federer den langersehnten Traum vom Davis-Cup-Titel erfüllt hatte, konnte er seine Gefühle nicht mehr zurückhalten. Der 33-Jährige sank auf die Knie und streckte danach auf der roten Asche im imposanten Stade Pierre-Mauroy alle Viere von sich.
„Das ist ein bewegender Moment für mich, darauf habe ich so lange gewartet“, sagte Federer nach seinem 6:4, 6:2, 6:2 gegen den Franzosen Richard Gasquet und vergoss sogar ein paar Tränchen. Mit dem Erfolg gegen Gasquet holte er im Endspiel in Frankreich, das in Runde zwei Deutschland ausgeschaltet hatte, den entscheidenden dritten Punkt und machte den ersten Schweizer Davis-Cup-Erfolg damit perfekt. „Das ist ein historischer Moment für die Schweiz“, meinte der 33-Jährige. Die Trophäe im Mannschaftswettbewerb war die einzige, die dem 17-maligen Grand-Slam-Turnier-Sieger neben Einzelgold bei Olympia in seiner imposanten Karriere noch fehlte. „Der Pokal ist für das gesamte Team. Ich habe schon so viel in meiner Karriere gewonnen. Das hier ist für die Jungs“, sagte Federer.
Vor allem seinem Teamkollegen Stanislas Wawrinka widmete er den Titel. „Am meisten freue ich mich für Stan. Das ist sein Sieg. Er hat in all den Jahren so viel gegeben für dieses Team“, sagte Federer, der jahrelang auf den Davis Cup verzichtet hatte.
Nach langer Pause war der Weltranglisten-Zweite in diesem Jahr ins Davis-Cup-Team zurückgekehrt und marschierte zusammen mit Wawrinka, Marco Chiudinelli und Michael Lammer zum Triumph. „Das ist ein ganz spezieller Erfolg. Es war nicht einfach“, sagte der Schweizer Teamchef Severin Lüthi.
In der Tat stand die erste Finalteilnahme der Eidgenossen seit 1992 anfangs unter keinem guten Stern. Lange Zeit war unsicher, ob Federer wegen seiner Rückenbeschwerden überhaupt zum Einsatz kommen würde. Vor einer Woche hatte er bei der Tennis-WM in London noch das Endspiel gegen Novak Djokovic absagen müssen.
Zudem belastete bei der Ankunft in Lille ein Zwist zwischen den beiden Topspielern Federer und Wawrinka das Teamklima. Beide waren nach ihrem Halbfinalduell bei den ATP-World-Tour-Finals in der Kabine aneinandergeraten, nachdem Wawrinka sich während der Partie über Federers Frau Mirka beschwert hatte. Doch Federer und Wawrinka, seit Jahren gut befreundet, räumten die Dissonanzen schnell aus und feierten ihren nächsten großen gemeinsamen Erfolg nach Doppel-Gold bei den Olympischen Spielen in Peking 2008.
„Wir haben ein großartiges Wochenende erlebt, nach einer nicht einfachen Woche“, sagte Wawrinka. „Wenn wir Probleme haben, dann reden wir miteinander. Vor dem Wochenende dachten die Leute, wir hätten eine Krise, aber wir sind immer ruhig geblieben.“
Bis zum großen Triumph war es aber ein langer Weg. Nachdem Wawrinka die Eidgenossen am Freitag gegen Jo-Wilfried Tsonga in Führung gebracht hatte, stand der noch sichtlich von Rückenbeschwerden geplagte Federer im zweiten Einzel gegen Gael Monfils völlig auf verlorenem Posten und unterlag klar in drei Sätzen.
Doch mit intensiver Pflege bekamen die Mediziner Federer wieder hin, so dass die Nummer zwei der Welt zur Überraschung vieler sogar im Doppel antrat. An der Seite von Wawrinka schlug er das französische Duo Gasquet und Julien Benneteau mit 6:3, 7:5, 6:4. „Ein großes Kompliment an unsere medizinische Abteilung. Sie hat einen super Job gemacht“, sagte Federer.
Gegen Gasquet, der für Tsonga zum Einsatz kam, war am Sonntag von den Rückenbeschwerden dann endgültig nichts mehr zu sehen. Vor der Davis-Cup-Rekordkulisse von 27 448 Zuschauern bestimmte Federer von Beginn an das Geschehen und verwandelte mit einem traumhaften Rückhandstopp seinen ersten Matchball.