Federer-Aus: „Ein Match, das du nicht spielen willst“
Melbourne (dpa) - Roger Federer schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken und ließ die Arme neben dem Körper baumeln.
Gerade hatte sich der einstige Alleskönner aus der Schweiz gegen den Italiener Andreas Seppi einen seiner 55 unerzwungenen Fehler geleistet und schien bereits zu ahnen, dass an diesem Freitag im Melbourne Park nicht nur eine Serie enden, sondern auch eine Hoffnung sterben würde.
Seit 2004 stand der mittlerweile 33 Jahre alte Tennisprofi aus Basel bei den Australian Open jedes Mal mindestens im Halbfinale. In der dritten Runde scheiterte er zuletzt 2001 am Franzosen Arnaud Clément. Und dann kam da dieser 1,90 Meter große Südtiroler, in dessen sportlicher Vita bislang die drei Turniersiege in Moskau, Belgrad und Eastbourne verzeichnet sind und der bei einem Grand-Slam-Turnier noch nie über das Achtelfinale hinauskam. Der aber über sich hinauswuchs und verdient mit 6:4, 7:6 (7:5), 4:6, 7:6 (7:5) triumphierte.
„Ich habe schon gestern und heute Morgen gespürt, dass es nicht einfach werden würde. Ich konnte irgendwie nicht mein bestes Tennis spielen“, erzählte Federer in der Pressekonferenz, als er wieder einmal viel zu früh sein Scheitern erklären musste und den schönen Satz sagte: „Du spielst ein Match, das du nicht spielen willst.“
Seit seinem Wimbledon-Triumph im Jahr 2012 wartet der doppelte Zwillingspapa auf seinen 18. Grand-Slam-Titel. Nach seinem bemerkenswerten Jahr 2014, als er mehr Matches gewann als jeder andere Profi und immerhin fünf Titel holte, und vor allem nach seinem 1000. Einzeltitel und dem Turniersieg in Brisbane rechneten nicht wenige Experten mit einem weiteren Federer-Coup Down Under.
Nach der Auslosung wurde eigentlich nur über den schweren Weg zu einem fünften Melbourne-Sieg nach 2004, 2007, 2007 und 2010 debattiert mit den vermeintlichen Stationen Andy Murray im Viertelfinale, Rafael Nadal im Halbfinale und Boris-Becker-Schützling Novak Djokovic im Endspiel. Auch Federer selber wirkte vor Turnierbeginn so gelassen und optimistisch wie lange nicht.
Die ganze Familie war mit nach Australien gereist, in Brisbane besuchte Federer mit seiner Frau Mirka und den vier Kindern Leo und Lenny, Myla und Charlene das Tangalooma Island Resort auf der Insel Moreton und fütterte dort wilde Delphine. In Melbourne genossen die Federers Spaziergänge im Botanischen Garten und die Entspanntheit und Ruhe im Gegensatz zu einem Grand-Slam-Spektakel wie in New York.
Doch statt das Finale in der nach seinem großen Idol benannten Rod-Laver-Arena zu spielen, kann sich Federer erneut auf die sportlichen Nachrufe einstellen, die wieder einmal verfasst werden. Klappt es jemals noch mit seinem 18. Grand-Slam-Sieg? Kann er es in Wimbledon schaffen? Oder ist Federers Zeit nun endgültig vorbei?
Gegen Seppi spielte er unkonzentriert, ungewohnt fahrig und machte viel zu viele einfache Fehler. Doch schon mehr als einmal strafte der Weltranglisten-Zweite seine Kritiker Lügen. Und auch diesmal warnte er vor voreiligen Schlüssen. „Natürlich ist es kein gutes Gefühl, aber ich würde da nicht so viel reininterpretieren. Ich habe nicht schockierend schlecht gespielt. Aber es war halt ein schlechter Tag.“