US Open Federer-Herausforderer: Del Potro mit großem Kämpferherz
New York (dpa) - Bei Roger Federer waren vor dem US-Open-Viertelfinale gegen Juan Martin del Potro die Erinnerungen sofort wieder da. Die Erinnerungen an 2009, dem Jahr seiner Hochzeit, der Geburt seiner Töchter und seinem einzigen French-Open-Sieg.
Aber auch einer völlig überraschenden Endspielniederlage in New York gegen den Argentinier del Potro. Fünfmal nacheinander hatte Federer zuvor das Grand-Slam-Turnier in New York gewonnen, der damals 20-jährige Südamerikaner beendete seine Erfolgsserie.
„Ich hatte all diese Chancen. Es ist eines der Matches, das ich noch einmal spielen würde“, sagte Federer nach seinem glatten 6:4, 6:2, 7:5 im Achtelfinale gegen den Philipp Kohlschreiber. Am Mittwoch wird es nun bei den US Open erneut zum Duell mit „Delpo“ kommen. Und zwar nur, weil der jahrelang von Handgelenksverletzungen zurückgeworfene del Potro ein mitreißendes Achtelfinale gewann, bei dem er schon wie der sichere Verlierer aussah.
„Er war so lange weg, dass es schön ist, zu sehen, dass er wieder solche Matches spielt“, sagte Federer und bedauerte dessen ständige Blessuren: „Es tat mir so leid für ihn, weil ich glaube, er hatte eine berechtigte Chance, die Nummer eins damals zu werden.“ Nach insgesamt drei Handgelenksoperationen kämpfte sich Publikumsliebling del Potro zurück. Zwei Jahre hatte der Olympia-Zweite von Rio zwischendurch fast komplett pausieren müssen.
Sein Achtelfinale gegen den Österreicher Dominic Thiem in der Nacht zum Dienstag war an Spannung, Dramatik und Emotionen kaum zu überbieten. Als er nach 3:34 Stunden und dem 1:6, 2:6, 6:1, 7:6 (7:1), 6:4 als Sieger feststand, streckte der Argentinier die Hände dem Himmel entgegen, bekreuzigte sich und sackte dann völlig erschöpft auf seinen Stuhl. Er habe doch eigentlich schon jetzt eine Trophäe verdient, meinte er. „Ich weiß nicht, wie ich dieses Spiel gewinnen konnte.“
Die Stimmung war wie beim Davis Cup, Fans in Argentinien-Trikots hüpften, tanzten und schrien auf der Tribüne des Grandstand. Nach den ersten beiden Sätzen hatte der kranke Weltranglisten-28. schon aufgeben wollen. Zu erschöpft fühlte er sich, zu aussichtlos waren die Chancen. Doch die Unterstützung der 8000 Zuschauer habe ihn dazu bewogen, zu kämpfen. „Ich konnte nicht atmen und mich nicht gut bewegen“, erklärte del Potro, der zwischendurch Tabletten schluckte.
Das Publikum liebt ihn für sein Kämpferherz und für seine monströse, flach übers Netz gepeitschte Vorhand. Im vierten Satz holte der 28-Jährige ein 2:5 auf und wehrte bei 5:6 zwei Matchbälle in Serie mit Assen ab.
Für das Viertelfinale am Mittwoch wird es auch darauf ankommen, ob sich der 1,98 Meter große Hüne körperlich berappeln kann. Vor acht Jahren brachte ihm ein Endspiel über fünf Sätze und 4:06 Stunden seinen einzigen Grand-Slam-Erfolg. Federer wartet mittlerweile seit 2008 auf den US-Open-Titel. „Wir sind heute andere Spieler“, sagte der vierfache Vater. „Schon deswegen wird das Spiel anders sein.“ Im Halbfinale könnte dann sein Dauerrivale Rafael Nadal warten.