Federer will „Djoko-Slam“ verhindern

Paris (dpa) - Tennis-Gentleman Roger Federer fauchte in seinem Viertelfinal-Match einen Zuschauer an: „Shut up!“ Die Klappe sollte der Fan halten, weil er bei einem Linien-Slice von Federer erregt „Out“ gerufen hatte.

Das war dem höflichen Schweizer später selbst ein bisschen peinlich: „Ich hoffe, nicht zu viele Leute haben das gesehen.“ Der Fauxpas in Paris macht Federer menschlich und zeigt, dass er seine 14. French Open mit derselben Leidenschaft wie sein Debüt bestreitet. Und sich auch mit fast 31 keineswegs mit einer Nebenrolle im Giganten-Trio des Welttennis abfindet. Alle reden üben Rafael Nadals angepeilten siebten Roland-Garros-Triumph und Novak Djokovics möglichen „Djoko Slam“ (jahresübergreifend in Serie vier Grand-Slam-Turniere). Federers Bestmarken werden davon überschattet.

Dabei sind auch seine geradezu unfassbar: Mit inzwischen 237 Grand-Slam-Matcherfolgen knackte er den Rekord des legendären Jimmy Connors und egalisierte mit seinem 31. Halbfinal-Einzug bei einem der vier wichtigsten Turniere eine weitere Connors-Bestmarke. Es störe ihn aber „überhaupt nicht“, dass alle Welt mehr vom möglichen „Djoko-Slam“ rede, sagt Federer. Dass sei im Vorjahr in Paris mit Djokovics Saisonsiegesserie von 41 Erfolgen genau dasselbe gewesen. Tja, bis Federer kam und den Serben im Halbfinale in einem epischen Vier-Satz-Krimi niederrang. Und nun kommt es zur Neuauflage dieser Partie. Federer ist wild entschlossen. „Das war für mich DAS Match des Jahres“, erinnert sich Federer in der Sportzeitung „L'Equipe“.

Im Halbfinale von Rom hatte Federer zuletzt mit 2:6, 6:7 den Kürzeren gezogen. Aber wie auch er selbst hat Djokovic sich in Roland Garros 2012 bisher nicht sehr souverän präsentiert. Der Weltranglisten-Erste und Australian-Open-Champion musste gegen Lokalmatador Jo-Wilfried Tsonga im Viertelfinale vier Matchbälle abwehren. Seine erleichterte Mutter Dijana diagnostizierte bei ihm danach ein „Grand-Slam-Herz“. Und in der Runde zuvor gegen den Italiener Andreas Seppi hatte der 25-Jährige einen 0:2-Satzrückstand aufholen müssen. Ebenso wie Federer zuletzt gegen den Argentinier Juan Martin del Potro.

Der „Djoker“ scheint durchaus schlagbar für den sechzehnfachen Grand-Slam-Turniersieger Federer - im Gegensatz zu Nadal. Wie fast alle meint der Ex-Weltklassespieler und heutige Eurosport-TV-Experte Mats Wilander: „Nadal ist besser als jemals zuvor. Er ist der absolute, unbestrittene Favorit bei diesen French Open.“ Nach seinem 50. Sieg im 51. Match am Bois de Boulogne bekommt es Nadal - noch ohne Satzverlust - nun mit seinem oft unterschätzten Landsmann David Ferrer zu tun. Der Murray-Bezwinger könne dem Sandplatz-Gladiator aus Mallorca noch am ehesten einen Satz abnehmen, sagen Experten.

Aber wer weiß? Vielleicht gelingt dem Außenseiter Federer ja der ganz große Coup: sein zweiter French-Open-Sieg nach 2009. Der nah am Wasser gebaute Vater zweier kleiner Töchter erinnert sich mit einem Lächeln noch an die „lächerlichen Emotionen“ von damals. Der akribische Schweizer hat sich seinen Turnierkalender in diesem Jahr so proppenvoll gepackt wie selten, hat diese Saison schon so viele Turniere gewonnen wie 2011 insgesamt (vier). Er will es noch mal wissen und jetzt erst einmal Djokovic den „Djoko-Slam“ vereiteln. Da gibt es keine falschen Höflichkeiten. 2008 in Monte Carlo raunzte Federer mal die laute Djokovic-Familie an: „Be quiet, okay?“