Glückwünsche aus Las Vegas: Williams vor dem Graf-Rekord
London (dpa) - Serena Williams drehte mit der silbernen Wimbledon-Trophäe noch ein paar Runden über die Anlage des All England Clubs und gab völlig aufgekratzt ein Interview nach dem anderen, als die ersten Glückwünsche von Steffi Graf & Co. eintrafen.
„Einfach unglaublich, wie Serena ihre Siegesserie in Wimbledon ausbaut. Wirklich eine tolle Leistung“, schrieb die deutsche Tennis-Legende bei Facebook. Dabei weiß die mittlerweile in Las Vegas lebende frühere Ausnahmespielerin genau, dass ihr eigener Rekord schon sehr bald gebrochen wird von dieser scheinbar alterslosen Amerikanerin.
Wie ein Perpetuum mobile bewegt sich die mittlerweile fast 34-Jährige über die Plätze dieser Welt und siegt und siegt und reiht Bestmarke an Bestmarke. 28 Matches nacheinander hat sie nun bei den vier wichtigsten Tennisereignissen im Jahr gewonnen. Wie ein Weltklasse-Boxer mehrere Gürtel verschiedener Verbände besitzen kann, so hält Williams nun alle vier großen Titel zugleich.
Dass sie sich ihre 22. Grand-Slam-Krone aufsetzen und mit Rekordhalterin Graf gleichziehen wird, ist nur noch eine Frage der Zeit. Gelingt ihr das bei den US Open in diesem Jahr, steigt sie endgültig in den Tennis-Olymp auf. Als erst zweite Profi-Spielerin nach Graf im Jahr 1988 mit einem echten Grand Slam.
Bei ihrem 6:4, 6:4-Erfolg hatte Williams der 21-jährigen Spanierin Garbiñe Muguruza auf dem schon leicht ramponierten Rasen des Centre Courts keine Chance gelassen. Mit der Venus Rosewater Dish in der Hand verteilte sie artig ein paar Komplimente an die Newcomerin aus Barcelona und genoss beim Verlassen des Platzes für einen kurzen Moment die „friedliche“ Stimmung, wie sie es später formulierte.
„21 und wir zählen noch weiter. Du bist nicht zu stoppen“, schrieb Billie Jean King im Kurznachrichtendienst Twitter. Auch die frühere US-Weltklassespielerin wurde von Williams an diesem sonnigen 11. Juli 2015 überflügelt. Mit 68 Titeln hat Williams einen mehr gesammelt als King während ihrer Karriere. Selbst US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton gratulierte aus der Ferne: „Alles ist möglich, wenn man hart arbeitet und seine Träume verfolgt“, schrieb die Demokratin.
Williams tingelte da gerade im eleganten weißen Kostüm mit einem bauchfreien Top unter dem Jackett von einer Fragerunde zur nächsten. Sie erzählte von ihrer neuen Liebe zum Tanzen, blödelte ein wenig mit Andy Roddick im BBC-Studio, grüßte „alle meine japanischen Fans“ und empfing nacheinander die Fernsehteams von Wowow-TV, den Tennis Channel, W'Don Off Film, Globosat Brazil, Fox Sports Australia und Star India. Jeder wollte was wissen von der ältesten Grand-Slam-Gewinnerin in der Geschichte des Profitennis.
Tagelang hatte sich Williams geweigert, über Zahlen und Rekorde zu sprechen, jetzt sprudelte es nur so aus ihr heraus. Für ihre Konkurrentinnen jedenfalls muss es fast schon besorgniserregend geklungen haben, als sie verkündete: „Ich fühle mich fast noch besser als früher. Ich fühle mich definitiv nicht alt. Ich habe jetzt den Serena-Slam, was großartig ist. Aber ich habe den Grand Slam noch nicht.“ Gut möglich, dass dieser Satz am 12. September nach dem US-Open-Endspiel der Damen keine Gültigkeit mehr besitzt.
Einige Zahlen und Fakten zu Williams:
2: Zum zweiten Mal nach 2002/2003 hat sich Serena Williams den sogenannten Serena-Slam gesichert mit aufeinanderfolgenden Siegen bei allen vier Grand-Slam-Turnieren. Mit einem Titel bei den US Open in diesem Jahr würde sie als zweite Spielerin im Profitennis nach Steffi Graf 1988 den echten Grand Slam perfekt machen.
6: Wimbledon-Titel (2002, 2003, 2009, 2010, 2012, 2015)
21: Grand-Slam-Titel (Australian Open 2003, 2005, 2007, 2009, 2010, 2015; French Open 2002, 2013, 2015; Wimbledon 2002, 2003, 2009, 2010, 2012, 2015; US Open 1999, 2002, 2008, 2012, 2013, 2014)
25: Grand-Slam-Finals hat Serena Williams bestritten. Nur vier hat sie verloren (Wimbledon 2004, 2008; US Open 2001; 2011).
28: Grand-Slam-Matches in Serie hat Serena Williams gewonnen. Ihr Rekord liegt bei 33 Siegen in Serie (von den French Open 2002 bis zum French-Open-Halbfinale 2003).
29: Mit ihrem Sieg gegen Garbiñe Muguruza hat Serena Williams jetzt 29 ihrer letzten 31 Endspiele gewonnen. 2013 verlor sie in Cincinnati und Doha im Finale jeweils gegen Victoria Asarenka.
33 Jahre, 289 Tage: Bei ihrem Wimbledonsieg war Williams 26 Tage älter als Martina Navratilova bei ihrem neunten und letzten Wimbledonsieg 1990 (33 Jahre, 263 Tage). Damit ist sie die älteste Grand-Slam-Gewinnerin in der Geschichte des Profitennis.
68: Mit 68 Titeln insgesamt hat Serena Williams jetzt einen mehr als Billie Jean King (67). Steffi Graf gewann 107 Turniere in ihrer Karriere. Rekordhalterin ist Martina Navratilova (167).
280: Siege bei Grand-Slam-Turnieren hat Serena Williams gefeiert. Graf gewann 278 Matches auf Major-Ebene. Chris Evert siegte 299 Mal, Martina Navratilova 306 Mal.