Kerber ohne Druck bei WM-Premiere
Istanbul (dpa) - Bei der Players Party in einem Istanbuler Luxushotel plauderte Angelique Kerber im eleganten dunklen Abendkleid fröhlich und gelöst mit ihren Konkurrentinnen.
Als Krönung ihres außergewöhnlichen Tennis-Jahres hat sich die 24-Jährige aus Kiel erstmals für die Weltmeisterschaft der besten acht Spielerinnen der Saison qualifiziert. Und nicht nur auf dem abendlichen Parkett bewegt sich die blonde Norddeutsche mittlerweile wie selbstverständlich im erlesenen Kreis der internationalen Top-Stars wie Serena Williams und Maria Scharapowa.
Die WTA-Championships in der Millionenmetropole am Bosporus sind für die beste deutsche Tennisspielerin Anerkennung und Belohnung zugleich - für ihren rasanten Aufstieg bis auf Platz fünf der Weltrangliste und eine nicht für möglich gehaltene Saison (fast) ohne Rückschläge. „Ich weiß natürlich, dass ich da mitspielen kann. Ich habe schon fast alle geschlagen“, sagte Kerber vor dem WM-Beginn am Dienstag in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa.
Auch angesichts der schweren Auslosung will sich die erste deutsche WM-Teilnehmerin seit Anke Huber vor elf Jahren aber nicht unter allzu großen Erfolgsdruck setzen lassen. „Ich spüre natürlich den Druck, aber ich versuche, ihn nicht an mich ranzulassen. Ich bin erst mal stolz, dass ich das geschafft habe. Es ist ein Bonus-Turnier, das ich mir für die gute Saison erspielt habe“, betonte Kerber. Während in der blauen Gruppe Maria Scharapowa, Agnieszka Radwanska, Petra Kvitova und Sara Errani spielen, trifft Kerber in der roten Gruppe auf die Weltranglisten-Erste Victoria Asarenka aus Weißrussland, die US-Open-Siegerin Serena Williams aus den USA und die Chinesin Li Na.
Eine denkbar harte Bewährungsprobe für die Linkshänderin, die dieses Jahr bei 20 Turnieren aufgeschlagen hat, 60 Saisonsiege feierte und zwei Titel bejubeln durfte. Bei den French Open und den Olympischen Spielen stand Kerber im Viertelfinale, in Wimbledon im Halbfinale, beim hochkarätig besetzten US-Open-Vorbereitungsturnier in Cincinnati erreichte sie das Endspiel und schlug auf dem Weg dorthin unter anderem die 15-malige Grand-Slam-Siegerin Serena Williams. Eine beachtliche Bilanz.
„Es ist etwas ganz Besonderes, dass sie das geschafft hat. Sie ist unter den besten Acht der Saison“, sagte Bundestrainerin Barbara Rittner. Die Fed-Cup-Chefin wird zur Unterstützung ihrer Nummer eins am Dienstag nach Istanbul reisen - und traut Kerber durchaus einiges zu. „Sie muss noch mal die letzten Kräfte mobilisieren und sollte versuchen, die besondere Atmosphäre in positive Energie umzuwandeln. Dann kann alles passieren“, sagte Rittner.
An die möglicherweise historische Bedeutung ihrer WM-Premiere verschwendet Kerber keinen Gedanken. Natürlich weiß sie, dass der letzte Sieg dort 1996 Steffi Graf gelang. Natürlich weiß sie, dass die Erwartungshaltung in Deutschland groß ist. Aber auch vor dem finalen Saisonhöhepunkt ändert die neue Nummer fünf der Tennis-Welt ihre Taktik nicht. „Ich werde es genießen und Spaß haben“, sagt sie.
Aber ob sie sich nicht doch zumindest das Halbfinale zum Ziel gesetzt hat? „Darüber denke ich überhaupt nicht nach“, betont Kerber. „Wenn ich aus der Gruppe rauskomme, wäre es ein weiterer Erfolg. Ich gebe mein Bestes, der Rest wird von allein kommen.“