Kohlschreiber und Zverev im Halbfinale in Hamburg
Hamburg (dpa) - Das unbekümmerte 17 Jahre alte Tennistalent Alexander Zverev und der routinierte Philipp Kohlschreiber sind erstmals ins Halbfinale des ATP-Turniers in Hamburg eingezogen.
Der Hamburger Zverev besiegte den elf Jahre älteren Lübecker Tobias Kamke mit 0:6, 7:5, 6:3. Der Youngster bekommt es nun bei dem mit 1,3 Millionen Euro dotierten Sandplatzturnier am Rothenbaum mit David Ferrer aus Spanien zu tun. Der erteilte Landsmann Pablo Andujar mit 6:0, 6:2 eine Lehrstunde. Erneut ohne Probleme blieb Kohlschreiber beim 6:4, 6:4 gegen den Tschechen Lukas Rosol und trifft am Samstag auf den Argentinier Leonardo Mayer.
„Es tut mir leid für Tobi, wenn er so weiterspielt, steht er bald in den Top 50 der Welt“, sagte Zverev über seinen Freund, der Platz 82 in der Weltrangliste einnimmt. „Das ist sehr schön, wie er sich durchgebissen hat, das ist eine sensationelle Story für das Turnier“, sagte Turnierdirektor Michael Stich. „Er ist nervenstark und weiß gar nicht so genau, was alles passiert. Aber er genießt es.“ Damit steht erstmals seit Tommy Haas 2012 ein Hamburger im Halbfinale. Dass Zverev das Traditionsturnier wie einst Stich 1993 gewinnen kann, ist bei dem Lauf, den der 1,96 Meter-Mann hat, nicht ausgeschlossen.
„Ich sehe viel von mir in ihm, ich war auch so ein Schlaks und habe mehr mit guter Motorik und Schwung als mit Kraft gemacht“, sagte Stich. Zverev betrieb weniger Aufwand als Kamke, zudem ist sein Selbstbewusstsein schon groß.
Dabei tat sich Zverev schwer, überhaupt ins Match zu kommen. Er wirkte gehemmt und machte viele Leichtsinnsfehler, die ihm bei den drei Siegen gegen die internationalen Topspieler in der Hansestadt zuvor nicht unterlaufen waren. Schon im ersten Satz warf er den Schläger auf den Boden und es wirkte so, als habe das größte deutsche Talent angefangen, über seine Erfolgssträhne nachzudenken. Nach dem Turnier wird die bisherige Nummer 285 unter den besten 200 der Welt notiert sein.
Erst im zweiten Durchgang fand der Youngster wieder zu seinem Spiel, besonders seine bis zu 200 Stundenkilometer schnellen Aufschläge wurden zur Waffe. Ein frühes Break konterte Kamke zwar zum 5:5, doch Zverev behielt die Nerven und nahm seinem Kumpel umgehend den Aufschlag wieder ab. Anders als vor zwei Wochen beim Challenger in Braunschweig, als Zverev in der ersten Runde in zwei Sätzen siegte und auch das Turnier gewann, lieferten sich die beiden einen harten Kampf.
Angefeuert von seinem Bruder Mischa, der wegen einer Handgelenksoperation derzeit pausiert, wurde Zverev vor 5000 Zuschauern auf dem Centre Court immer besser. In Durchgang drei reichte ein Break im ersten Spiel für den Sieg des Juniorensiegers der Australian Open. „Jetzt soll er auch das Turnier gewinnen“, sagte Kamke trocken.
Kohlschreiber spielte sich im Laufe der Woche sogar in den Kreis der Favoriten. Der 30-Jährige wirkt extrem austrainiert. „Das war definitiv meine beste Leistung. Es war ein geiles Match und eine Hammerstimmung“, sagte der Bayer nach dem Erfolg gegen Rosol. „Ich habe nun nichts mehr zu verlieren, mein persönliches Ziel ist erreicht.“