Vorfreude und Druck: Youngster Zverev am Rothenbaum
Hamburg (dpa) - Alexander Zverev flitzte schon als Dreijähriger über die Tennisanlage am Hamburger Rothenbaum - mit einem in der Hand baumelden Mini-Racket und im Schlepptau seiner tennisverrückten Familie.
Die Eltern Alexander Senior und Irina waren damals beide Trainer beim UHC Hamburg, der zehn Jahre ältere Bruder Mischa galt als größtes deutsches Tennis-Talent. Wie Alex heute. „Jetzt selber am Rothenbaum mitzuspielen, ist etwas sehr Besonderes“, sagt der gerade einmal 17-Jährige, dessen Tennis-Welt sich gerade rasant dreht, mit Blick auf den Turnierstart am Montag. Sein Sieg beim Braunschweiger Challenger, mit dem er im ATP-Ranking von 665 auf 285 hochschoss, brachte ihm sogar Lob von John McEnroe ein.
„Er ist noch etwas dünn, aber er hat ein gutes Spiel und wird seinen Weg gehen“, sagte die US-Ikone am Rande des Stuttgarter ATP-Turniers. Die Beine des 1,96-Meter-Schlakses und Basketfall-Fans Alexander Zverev sind in der Tat noch streichholzartig. Und auch die Schultern sind noch so schmächtig, dass auch sein Förderer Michael Stich ihm etwas von der Last des Erwartungsdrucks nehmen will. „Er hat definitiv Potenzial. Aber ihn als Heilsbringer des deutschen Herren-Tennis zu sehen, wäre unfair“, sagte Stich, der Turnierdirektor in Braunschweig und am Rothenbaum ist. Der frühere Wimbledonsieger bestritt einst selbst Punktspiele für den UHC und kannte den Youngster bereits als „kleinen Steppke“.
Stich will den Australian-Open-Juniorensieger auf keinen Fall verheizen. Das 500er ATP-Event in Hamburg sei noch einmal ein „andere Hausnummer“ als Braunschweig, baute er vor. Andererseits setzt Stich auf den mit einer Wildcard ausgestatteten Youngster, den er gleich mit einem Fünfjahresvertrag an das Turnier gebunden hat, auch als Publikumsmagneten der Zukunft. Als einen, wie Tommy Haas (36) in den Vorjahren, der nach seiner Schulter-Operation vielleicht nie wieder zurückkehrt. Wenn auch nicht in der Größenordnung eines Rafael Nadal, um den sie diesmal vergeblich warben - oder eines Roger Federer: Der Grand-Slam-Rekordsieger lockte 2013 die Massen in die Hallerstraße.
Alexander Zverevs „größter Traum“ ist es, einmal gegen Federer zu spielen. Oder auch nur mit ihm zu trainieren, wie er bescheiden erzählt. „Sascha“, wie ihn fast alle rufen, ist sehr geerdet. Dafür sorgen sein Vater Alex Sr., ein früherer russischer Davis-Cup-Spieler, und sein Bruder Mischa. Der 26 Jahre alte Linkshänder erlebt selbst, wie hart eine Profikarriere ist: Er war 2009 mal Weltranglisten-45., gerade musste er sich wegen chronischer Probleme am Handgelenk operieren lassen und wird nur noch auf 350 notiert. Erstmals fiel er hinter seinen Bruder.
Worin sich die Experten einig sind: Der Rechtshänder Alex hat noch größeres Potenzial als Mischa. Diesem wurde nachgesagt, dass ihm ein richtiger Gewinnschlag fehle; er schulte um auf Serve and Volley. „Sascha“ dagegen hat neben seinem krachenden Aufschlag eine sehr dominante Vorhand, eine starke Rückhand longline und ist für seine Körperlänge unheimlich beweglich. In der ersten Runde von Stuttgart scheiterte er am Mittwoch zwar mit 6:7, 6:7 am Tschechen Lukas Rosol, in Braunschweig beeindruckte er aber auch mit mentaler Stärke.
Obendrein ist er ein charismatischer Typ. Dem krankenden deutschen Herrentennis fehlt so einer. Der Teenie, der im Winter in Florida lebt, sagt Sätze wie: „Ich liebe die große Bühne. Man kann mich als Showman bezeichnen, man kann mich auch als Idiot bezeichnen.“