Das Kerber-Experiment Öffentlich-Rechtliche Sender testen Tennis
Mainz (dpa) - Am 23. Oktober beginnt das Kerber-Experiment. Nach jahrelanger Pause zeigen ARD und ZDF mit der WTA-Weltmeisterschaft der besten acht Spielerinnen der Saison wieder ein großes Tennisturnier.
Die Sender wollen testen, ob es durch Angelique Kerber in Deutschland einen neuen Boom gibt. Wenn Tennis-Übertragungen mit der Australian- und US-Open-Siegerin nicht funktionieren - mit wem dann?
„Wir hoffen, dass dieses Angebot auch die entsprechende Akzeptanz und Resonanz bei den Fernsehzuschauern finden wird und Angelique Kerber damit die verdiente Aufmerksamkeit bekommt“, sagte ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz. Was er nicht sagt: Sind die Quoten trotz Kerber schlecht, dürfte es für lange Zeit keine weiteren Tennis-Übertragungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen geben.
Die Weltranglisten-Erste wünscht sich durch die Übertragung der WTA Finals in Singapur den gegenteiligen Effekt. „Ich hoffe, das ist nur der Anfang und keine einmalige Angelegenheit“, erklärte Kerber der dpa. „Es gibt so viele Turniere, die es wert sind vor einem größeren Publikum gezeigt zu werden“, sagte die 28-Jährige, „und ich hoffe, dass das Interesse nach Singapur noch größer sein wird“.
Bei den Australian Open in Melbourne und bei den US Open in New York hat die Kielerin 2016 als erste deutsche Grand-Slam-Siegerin seit Steffi Graf triumphiert. In Wimbledon und bei den Olympischen Spielen in Rio stand sie zudem im Endspiel.
„Mit den Liveübertragungen der Spiele von Angelique Kerber wollen wir ihre grandiosen Erfolge in diesem Jahr würdigen und zugleich dem Wunsch vieler Tennisfans nachkommen, diese Spiele in den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten zu sehen“, sagte Gruschwitz. Wie viele Anhänger es tatsächlich sind, wird sich zeigen, wenn bei Kerbers Auftaktpartie das ZDF und anschließend die ARD übertragen darf. Für den Fall der Fälle sind auch Halbfinale (ARD) und Endspiel (ZDF) verteilt.
Dass Tennis zuletzt kein Quotengarant war, lässt sich auch daran erkennen, dass ProSiebenSat.1 offensichtlich kein Interesse hatte, selbst aus Singapur zu übertragen. Das Medienunternehmen verkaufte die Rechte über die Agentur Lagardere an ARD und ZDF weiter.
ProSiebenSat.1 hat in den vergangenen Jahren verschiedene Tennis-Pakete erworben, unter anderem für den Fed Cup. Die Quoten waren bisher allerdings enttäuschend. Das erste Spiel von Kerber nach dem Australian-Open-Gewinn wollten im Februar beim Fed-Cup-Viertelfinale gegen die Schweiz nur 440 000 Menschen bei Sat.1 sehen. Die folgende Kerber-Partie beim Nischensender Sat.1 Gold verfolgten nur 190 000 Zuschauer.
ARD und ZDF haben seit einigen Jahren keine Live-Berichte von großen Tennisturnieren im Programm. Die Rechte liegen bei Sky (Wimbledon) und Eurosport (Australian Open, French Open, US Open). Mit Kerbers Sieg im Finale der US Open erreichte Eurosport dank 1,06 Millionen Zuschauern immerhin einen Achtungserfolg. ARD und ZDF wären mit einer solchen Zahl aber wohl kaum zufrieden.
Bundestrainerin Barbara Rittner freute sich zumindest, dass das Erste und das Zweite es wieder versuchen. „Ich finde es sehr positiv, dass die Öffentlich-Rechtlichen mit dieser Entscheidung auf Angelique Kerbers Erfolge reagieren“, sagte Rittner. Zuvor hatte die Trainerin ARD und ZDF wegen des Tennisverzichts scharf kritisiert.