Serbien feiert Djokovic - Beginnt eine neue Ära?
London (dpa) - Markiert Wimbledon 2011 den Beginn der Ära Novak Djokovic? Oder ist die derzeitige Ausnahmestellung der neuen Nummer 1 nur eine Momentaufnahme?
Nach dem furiosen Tennis-Halbjahr des Seriensiegers aus Serbien rätseln Experten und Rivalen, wie lange die fast schon beängstigende Dominanz des neuen Wimbledon-Champions anhält. „Er hat von 49 Spielen in diesem Jahr 48 gewonnen. Das ist unglaublich. Was kommt da noch?“, fragte Boris Becker, der Djokovic nun auch beim letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres in New York für den großen Favoriten hält: „Er kann auch auf Hartplätzen gewinnen.“
Eines ist jedenfalls klar: Nicht mehr länger den Spanier Rafael Nadal oder den langjährigen Regenten Roger Federer aus der Schweiz gilt es in erster Linie zu schlagen, wenn die großen Titel vergeben werden. Djokovic ist es, der künftig bei den Majors im Mittelpunkt stehen wird. Und der serbische Nationalheld, nun auch auf dem Papier die neue Nummer 1 der Welt, gefällt sich in der Rolle des Gejagten: „Ich will ein Tennis-Champion werden. Ich will weitere Grand Slams gewinnen.“ Dafür sei er geboren worden, betonte der 24-Jährige voller Pathos, ehe die Jubel-Party beginnen konnte.
In der Heimat überschlugen sich die Zeitungen mit Superlativen. „Nole auf dem goldenen Thron. Ein Champion von klein auf. Dem König die Krone“, schrieb „Novosti“. Für das „Sportski Zurnal“ ist „Nole“ Djokovic wahlweise „der Herzog von Wimbledon“ oder „der Wimbledon-Diamant“. Die Zeitung „Blic“ ernannte den neuen Champion kurzerhand zum „König der Welt“.
Zehntausende Serben empfingen Djokovic in Belgrad triumphal. Der 24-Jährige fuhr mit einem offenen Bus vom Flughafen ins Zentrum, wo schätzungsweise 60 000 Menschen vor dem Parlament auf ihn warteten. Sie schwenkten serbische Fahnen und Transparente mit Aufschriften wie „Bravo!“. Innerhalb weniger Stunden war vor der Volksvertretung eine Großbühne aufgebaut worden, auf der sich die neue Nummer eins des Herrentennis feiern lassen wollte.
Mit acht Turniersiegen und einer Bilanz von 48:1 Erfolgen binnen sechs Monaten ist Djokovic von Platz drei an die Spitze der Weltrangliste gespurtet. Gleich in fünf großen Endspielen gab der Australien-Open-Champion dem entthronten Wimbledon-Titelverteidiger Nadal dabei das Nachsehen. Fast hat es den Anschein, als sei der 24-Jährige derzeit unschlagbar. „Ich habe verloren, weil ich gegen den momentan besten Spieler der Welt gespielt habe“, brachte Nadal die Niederlage auf den Punkt.
In einem Kommentar für die serbische Zeitung „Press“ konstatierte Niki Pilic: „Novak hat Nadal erniedrigt. Er spielte phänomenal und hat bewiesen, dass er definitiv der beste Tennisspieler auf dem Planeten ist. Das ist meiner Meinung nach der absolute Gipfel des Tennis'.“
Aber Nadal wäre nicht der größte Kämpfer seines Sports, würde er sich mit Djokovic' Ausnahmestellung einfach so arrangieren. „Meine Erfahrung sagt mir, dass er dieses Level nicht für immer halten wird. Ich werde bereit sein und immer kämpfen, um auf meinen Moment zu warten“, kündigte der zehnfache Grand-Slam-Champion an. „Keiner gewinnt alles. Er wird in der Zukunft wieder verlieren.“
Das weiß auch Djokovic. Umso mehr genoss er schon auf dem Centre Court den „besten Tag meiner Tennis-Karriere“. Kurioser Höhepunkt seiner ersten emotionalen Ausbrüche war der Moment, als der Spaßvogel wortwörtlich Gras fraß. Djokovic schob sich einige Halme des Heiligen Rasens in den Mund und probierte das nicht mehr ganz so saftige Grün. „Ich fühlte mich wie ein Tier. Ich wollte sehen, wie es schmeckt. Es schmeckt gut“, sagte Djokovic lachend. Er habe nicht gewusst, was er vor lauter Aufregung und Freude tun sollte: „Das war wirklich spontan.“