Trauriger Rekord: US-Amerikaner in Wimbledon-Krise
London (dpa) - Novak Djokovic warf in Wimbledon mit seinem Sieg über Bobby Reynolds den letzten US-Amerikaner aus dem Grand-Slam-Turnier und deckte damit auch die großen Probleme auf, mit denen der einst ruhmreiche Tennissport derzeit in den USA zu kämpfen hat.
Der Weltranglisten-Erste hatte natürlich keine Skrupel und verwandelte seinen ersten Matchball gegen Reynolds. Mit seinem Rückhand-Volley beendete der 26 Jahre alte Serbe das Match souverän, und damit hatte es erstmals seit mehr als 100 Jahren hat kein Amerikaner in die dritte Runde des Rasen-Klassikers geschafft. Die schlechteste Bilanz seit 1912. Damals war erst gar kein US-Spieler angetreten.
Die Zeiten sind vorbei, in denen die große Nation einen Topspieler nach dem anderen produzierte. Pete Sampras, Andre Agassi oder Jim Courier sind Geschichte. Der ehemalige Weltranglisten-Erste Andy Roddick gewann 2003 die US Open. Danach warteten die Amerikaner vergebens auf einen Erfolg bei einem Grand-Slam-Turnier. Im vergangenen Jahr trat Roddick in Flushing Meadows zurück.
Elf amerikanische Herren waren am Montag in London an den Start gegangen. Der an Position 21 gesetzte Sam Querrey verlor in der ersten Runde in fünf Sätzen gegen den Australier Bernard Tomic, der am Donnerstag dann auch James Blake ausschaltete. Der an 18 gesetzte John Isner musste in der zweiten Runde verletzt aufgeben.
Der gesundheitlich angeschlagene Mardy Fish war erst gar nicht gekommen. „Er hätte es hier wahrscheinlich sehr gut gemacht“, sagte der viermalige Grand-Slam-Champion Courier am Donnerstag auf der Anlage des All England Lawn Tennis Clubs. Doch Courier gab auch zu, dass sein Sport in seiner Heimat auf dem absteigenden Ast ist. „Unsere besten Athleten sind auf andere Sportarten verteilt.“
Sehr viel deutlicher wurde Ex-Champion John McEnroe, Kommentator beim britischen Sender BBC: „Sie spielen Football oder Basketball. Wir kommen erst lange danach. Es ist unbestritten: Wir sind sicher nicht an dem Punkt, an dem wir gerne wären.“
Reynolds, als 30 Jahre alter Qualifikant und Nummer 156 der Welt am Donnerstag noch der vielbeschworene letzte Mohikaner, glaubt allerdings, dass die Zeiten bald wieder besser werden. „Unsere jungen Spieler vom College haben großes Potenzial. Vielleicht, in ein paar Jahren hoffentlich, wird wieder ein richtig Guter auftauchen. Der Verband macht einen guten Job“, sagte Reynolds. Die aktuellen Ergebnisse sprechen allerdings noch dagegen.