„Verrückt trifft es ganz gut“: Petkovics Achterbahnfahrt
New York (dpa) - Andrea Petkovic schmiss den Schläger auf den blauen Betonboden, kassierte eine Verwarnung und schimpfte auf Knien wie wild auf den Linienrichter ein. Es half alles nichts. 1:4 lag die impulsive Hessin in ihrem Zweitrunden-Match bei den US Open im dritten Satz zurück.
Ihr unterliefen teilweise „desaströse Fehler“, wie sie später einräumte. Doch mit der ihr eigenen Willenskraft und dieser typischen Ich-gebe-niemals-auf-Mentalität drehte die 26 Jahre alte Darmstädterin die Partie gegen Monica Puig aus Puerto Rico.
3:6, 6:3, 7:6 (7:5) hieß es nach dem fast zweieinhalbstündigen Tennis-Spektakel . Für die „New York Times“ war es „das bislang dramatischste Spiel der US Open“. Die schnöden Zahlen lassen dabei nur ansatzweise erahnen, was sich bei knapp über 30 Grad Celsius auf dem Außenplatz elf im Schatten des Arthur-Ashe-Stadiums ereignete. Allein die Dramaturgie des Tiebreaks verdient einen Platz im Kuriositätenkabinett. Petkovic führte schnell 3:0, geriet 3:5 in Rückstand („Da habe ich mir gesagt: Ok, Andrea, sie wird es dir nicht schenken, du musst jetzt was machen“) und machte dann tatsächlich vier Punkte in Serie zum Matchgewinn.
„Verrückt trifft es ganz gut“, sagte Petkovic, als sie mit einer Viertelstunde Verspätung zur Pressekonferenz erschien und sich höflich dafür entschuldigte. Die deutsche Nummer zwei musste allerdings weder zur Dopingkontrolle noch ins Eisbad. „Ich habe in der Umkleidekabine mit Caroline gesprochen, was wir anziehen, damit wir nicht beide das gleiche Kleid anhaben“, sagte Petkovic vor dem Drittrunden-Duell mit der früheren Nummer eins Caroline Wozniacki.
Eine Stunde nach ihrem Wutausbruch hatte die eloquent-charmante Fed-Cup-Spielerin ihren Humor und ihre Sonntagslaune längst wiedergefunden. „Ich bin immer drangeblieben, drangeblieben, drangeblieben und habe mich gezwungen, positiv zu bleiben. Ich konnte meine Wut in positive Energie umwandeln“, sagte Petkovic und betonte vor dem Spiel gegen die an Nummer zehn gesetzte Dänin: „Das wird mir hoffentlich einen mentalen Schub geben. Ich muss die Balance finden zwischen aggressiv spielen und nicht zu viele Fehler machen.“
Mit weitaus mehr Geduld und Gelassenheit als früher hat sich die ehemalige Nummer neun der Welt nach all den Verletzungspausen wieder unter die Top 20 gearbeitet und kämpft nun mit ihrem neuen Trainer Eric van Harpen um den Anschluss an die Weltspitze. Bei den French Open stand sie im Halbfinale, gewann anschließend das Turnier in Bad Gastein und erreichte das Halbfinale in Stanford.
Zuletzt musste sie Anfang des Monats wegen einer Viruserkrankung für das Turnier in Montréal absagen. „Die Krankheit hat unheimlich viel Substanz gekostet, mental und körperlich“, sagte Petkovic. Nicht nur deshalb würde ihr ein Achtelfinal-Einzug in New York noch einmal einen Motivationsschub für den Saison-Endspurt bescheren.
Weil auch Angelique Kerber und Sabine Lisicki ihre Aufgaben - weitaus stressfreier - lösten, hat es von anfangs sechs deutschen Damen schon ein Trio in die dritte Runde geschafft. Ein besonders reizvolles Duell wartet auf die letztjährige Wimbledon-Finalistin Lisicki, die sich mit French-Open-Siegerin Maria Scharapowa messen darf. Eine von beiden wäre die mögliche Achtelfinal-Gegnerin von Petkovic - wenn diese gegen Wozniacki ihre Balance zwischen Wut und Energie findet.