Vier Titel bis Graf: Williams hat noch nicht genug

New York (dpa) - Als die Tennis-Legenden Martina Navratilova und Chris Evert mit einem Armband aus 18 Karat Gold den Center Court betraten, waren die Tränen der alten und neuen US-Open-Championesse Serena Williams wieder getrocknet.

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„Ich hätte niemals gedacht, einmal in einem Atemzug mit Chris und Martina genannt zu werden“, sagte die bald 33-Jährige nach ihrem zweiwöchigen Alleinunterhaltungsprogramm in Flushing Meadows. Mit 18 Grand-Slam-Titeln steht Williams nun auf einer Stufe mit den beiden Legenden. Es gibt nur eine Sportlerin in der Geschichte des Profi-Tennis mit mehr Major-Titeln: Steffi Graf.

Und die Ausnahmeerscheinung in der Geschichte des Damen-Tennis scheint zu ahnen, dass ihre 22 Turniersiege in Gefahr sind. „Ihre Karriere wird weiter glänzen, und es ist eine Freude für uns alle, ihr dabei zuzuschauen“, schrieb Graf bei Facebook.

„Natürlich schiele ich ein bisschen auf Nummer 19“, gab Williams zu, als sie mehr als zwei Stunden nach der Demontage ihrer bedauernswerten Freundin Caroline Wozniacki zur Pressekonferenz erschien. Dann ergänzte sie kühl lächelnd: „Noch nicht einmal drei Stunden ist es her, und ich habe wirklich schon Nummer 19 erwähnt? Oh nein, aber nicht Nummer 22. Eins nach dem anderen.“

Vor allem nach den großen Triumphen sind die Frage- und Antwort-Runden mit Serena Williams ja besser als jede Vorschau im Kino. Was wird sie wohl anhaben? Wie kurz ist der Rock? Wie wild die Mähne? Wie knallig-bunt das Top? Trägt sie wieder was aus Leder?

Nach dem 6:3, 6:3-Erfolg gegen die 24 Jahre alte Dänin entschied sich die nun sechsmalige US-Open-Queen für ein schlichtes schwarzes T-Shirt mit dem großen Logo ihres Sponsors auf der Vorderseite. Die silberne Henkeltrophäe stand vor ihr auf dem Tisch, die Glückwünsche gingen im Sekundentakt auf ihrem Handy ein.

„Es fühlt sich großartig an. Ich habe nicht mehr damit gerechnet, in diesem Jahr noch einen Grand Slam zu gewinnen“, kokettierte Williams. Mit dem Titel bei ihrem Heimspiel hat sie eine durchwachsene Saison gerettet und gekrönt. Erst auf der Zielgeraden des Tennis-Jahres spurtete die gute Bekannte von Usain Bolt der Konkurrenz davon. Nur 75 Minuten dauerte das Finale gegen Wozniacki. Die ehemalige Nummer eins der Welt wirkte an diesem Tag wie die kleine Schwester, die halt auch mitspielen darf, weil es alleine so schlecht geht.

Williams gewann alle 14 Sätze im Turnier, nie gab sie mehr als drei Punkte in einem Durchgang ab. Doch so dominant sie beim letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres auftrat, so rätselhaft schlurfte sie teilweise durch die ersten Monate der wechselhaften Saison.

Bei den Australian Open schied sie im Achtelfinale aus, in Paris in der zweiten Runde und in Wimbledon in der dritten. Dort hinterließ sie auch das verstörendste Bild dieses Jahres mit dem bizarren Auftritt im Doppel an der Seite von Schwester Venus. Nach ihrem Schwächeanfall und der Aufgabe machten die wildesten Spekulationen die Runde, offiziell war von einer Viruserkrankung die Rede.

In New York aber präsentierte sich die jüngere der beiden Williams-Schwestern physisch und psychisch wieder beängstigend fit. Nachdem die letzte Rückhand Wozniackis im Aus gelandet war, plumpste Williams in ihrem Leoparden-Dress wie ein Maikäfer rücklings auf den Boden, streckte erst alle Viere von sich und schlug dann die Hände vors Gesicht. Als sie sich wieder erhoben hatte und Wozniacki zu ihr auf die andere Seite des Netzes geeilt war, legte Williams die rechte Hand ans Herz, streckte den linken Zeigefinger in die Luft und fing hemmungslos an zu heulen. „Hier habe ich meinen ersten Grand Slam gewonnen und jetzt den Achtzehnten, es könnte keinen besseren Ort dafür geben“, sagte sie bei der Siegerehrung unter Tränen.

Natürlich waren Zweifel aufgekommen nach ihrer bis dato Grand-Slam-titellosen Saison. Vier verschiedene Major-Siegerinnen gab es in diesem Jahr, aber nach den US Open 2014 muss man festhalten: Wenn Serena Williams gesund bleibt und sich keine Aussetzer leistet, macht ihr so schnell keine die Rolle der Alleinherrscherin streitig.

Und so ganz nebenbei hat sie auch noch einen Preisgeldrekord im Tennis aufgestellt: Für ihren Titel erhielt sie drei Millionen Dollar. Weil sie auch noch die Wertung für die Turnierserie vor den US Open gewann, gab's noch mal eine Million Dollar extra obendrauf. Wozniackis Aufforderung wird sie daher verschmerzen können. „Du schuldest mir definitiv Drinks später“, sagte die geschlagene Dänin.