Williams: Mit vielem zu tun Zeit zum Nachdenken für Kerber
Melbourne (dpa) - Die alte und womöglich neue Nummer eins des Damen-Tennis kann sich genau vorstellen, wie es der aktuellen Weltranglisten-Ersten geht.
Am Tag nach dem Aus von Angelique Kerber und dem eigenen Viertelfinal-Einzug bei den Australian Open kleidete Serena Williams ihre Beobachtungen in diplomatische Worte. „Es waren ein paar interessante Wochen für Angie. Sie hatte mit vielem zu tun. Ich denke, sie ist damit so gut umgegangen, wie sie konnte“, sagte die Rekordsiegerin nach ihrem 7:5, 6:4-Erfolg über die Tschechin Barbora Strycova. Mit einem siebten Triumph in Melbourne würde sie die Norddeutsche ein Jahr nach der Finalniederlage gegen Kerber wieder von Rang eins verdrängen.
Die 2:6, 3:6-Pleite von Kerber gegen Coco Vandeweghe überraschte die 35 Jahre alte Amerikanerin gar nicht so sehr, obwohl sie sich wegen des späten Beginns des Matches am Sonntagabend schon ins Bett verkrochen hatte. „Coco hat wirklich gut gespielt. Sie hatte einen wunderbaren Plan, und es war ein leichtes Spiel.“
Und ein schwerer Abend für Kerber, die nun drei Wochen Zeit hat, den missglückten Saisonstart in Australien aufzuarbeiten. Bei allen drei Turnieren dort schied die 29-Jährige vor der entscheidenden Phase aus und überzeugte bei ihren Siegen selten. Es schien, als würde Kerber der gestiegene Druck hemmen. Sie kam erstmals als Nummer eins der Welt nach Australien, als Deutschlands Sportlerin des Jahres, als mehrfach ausgezeichnete beste Spielerin der vorigen Saison. Damit einher gingen nicht zuletzt viel mehr Termine als früher.
In Melbourne deutete sie allenfalls an, dass sie der Rummel um ihre Person auch belastet haben könnte. Etwas lockerer sei sie geworden, erklärte Kerber nach dem Einzug ins Achtelfinale. Nach dem Aus kündigte sie an: „Ich muss über alles, was in den vergangenen Wochen passiert ist, ein bisschen nachdenken. Ich habe natürlich eine Menge gelernt und neue Erfahrungen gemacht.“
Mehr Einblicke gewährte die gestrauchelte Titelverteidigerin nicht. Weil sie nicht zum Fed-Cup-Spiel gegen die USA nach Hawaii reist, geht es für Kerber erst ab dem 13. Februar mit dem WTA-Turnier in Doha weiter, es folgen das Turnier im benachbarten Dubai und die großen US-Veranstaltungen im März in Indian Wells und Miami.
Kerber unterstrich: „Ich denke, dass ich immer noch ein gutes Jahr haben kann.“ Im vorigen Frühjahr erlebte sie nach dem Triumph in Melbourne ein Wellental und mit dem Aus in der ersten Runde der French Open einen Tiefpunkt. Doch danach erreichte sie die Finals in Wimbledon und bei Olympia und holte den Titel bei den US Open.
Die Großen aus alten Zeiten bewerten die Aussichten unterschiedlich. John McEnroe und Michael Stich prophezeiten Kerber ein schwieriges Jahr. Körperlich und mental sei es sehr hart, sich wieder neu zu motivieren, meinte der deutsche Wimbledonsieger. Es sei eine ganz andere Herausforderung, die Position als Nummer eins zu verteidigen, erklärte McEnroe. Seine Vorhersage, Kerber werde dort nicht lange bleiben, könnte schon am Wochenende eintreffen.
Boris Becker sah vor dem Aus zwar keinen Grund, warum Kerber nicht erneut am Ende der Saison vorn sein könnte, erwartet aber auch ein schweres Jahr nach den Erfolgen 2016. Kerber solle offensiver spielen als im missglückten Match gegen Vandeweghe, riet Martina Navratilova am Montag in Melbourne. Auch wenn man nie wisse, wie Menschen auf derartige Niederlagen reagierten, ist sie mit Blick auf Kerber überzeugt: „Sie wird zurückkommen.“