Totilas - Warten aufs Wunderpferd

Nach Niederlagen, Verletzungen, Olympia-Aus sowie viel Kritik von Medien und Tierschützern ist es still geworden um Totilas und seinen Reiter Matthias Rath. Rechtzeitig zum CHIO Aachen im Juni will das Paar jedoch zurück ins Dressurviereck.

Düsseldorf. Er hat Weltrekorde gebrochen, wurde bejubelt wie kein anderes Pferd zuvor. Totilas veränderte die Dressurwelt. Der Rappe hat eine eigene Homepage, eine Modekollektion, einen Pressesprecher. Doch seit Monaten ist es still um das vermeintliche Wunderpferd und seinen Reiter Matthias Rath — von Negativ-Schlagzeilen abgesehen.

„Ich weiß nicht, wann er den ersten Turnierstart plant“, sagt Bundestrainerin Monica Theodorescu. „Ich weiß auch nicht, ob er den selber schon geplant hat.“ Mittlerweile gehört Rath nicht einmal mehr dem deutschen Championatskader an. „Mit Totilas ist alles schief gelaufen, was schief laufen konnte“, gab jüngst Besitzer Paul Schockemöhle gegenüber dem „Spiegel“ zu.

„Wir haben noch keine konkreten Pläne, wann Totilas wieder bei einem Turnier starten wird. Wir hoffen, dass die beiden im Juni beim CHIO in Aachen dabei sind“, sagt Kai Meesters, der Sprecher des Paars. „Matthias trainiert ganz entspannt, er ist zufrieden.“ Um das nicht zu unterbrechen, wurde Totilas auch nicht bei den diesjährigen Hengstschauen in Vechta Anfang Februar präsentiert.

Für 10 Millionen Euro soll Totilas den Besitzer gewechselt haben

Bis 2010 wurde der Hengst von dem Niederländer Edward Gal geritten; das Paar hatte die Siegesschleife quasi abonniert. Dann der Supercoup: Züchter und Unternehmer Paul Schockemöhle kaufte das Pferd gemeinsam mit Ann Kathrin Linsenhoff, ehemalige Dressurreiterin und bis vor wenigen Wochen Mitglied des Präsidiums der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). Zehn Millionen Euro soll Totilas gekostet haben. Seitdem ist der Hengst auf dem Linsenhoffschen Schafhof im Taunus zu Hause, in seinem Sattel sitzt mit Matthias Rath Linsenhoffs Stiefsohn.

Trainiert von Vater Klaus Rath, begannen Reiter und Pferd ihre Zusammenarbeit vielversprechend: Im Sommer 2011 holten sie die deutschen Meistertitel im Grand Prix Spécial und in der Grand Prix Kür, siegten in drei Prüfungen des CHIO Aachen. Bei der EM in Rotterdam blieb eine Einzelmedaille allerdings aus. Danach: Pause. Acht Monate lang fielen der 28-Jährige und sein Wunderhengst wegen Verletzungen aus.

Im April 2012 zeigten sie sich bei einem Turnier in Hagen erstmals wieder im Dressurviereck — und sorgten für Aufregung. Rath hatte den Trainer gewechselt, um „neue Wege zu gehen“, wie Kai Meesters sagt. „Warum sollte man nicht bei einem der erfolgreichsten Trainer der Welt trainieren, wenn man das erfolgreichste Pferd hat?“

Die Wahl war auf den Niederländer Sjef Janssen gefallen, ehemaliger niederländischer Nationaltrainer und als Verfechter der in Deutschland verpönten Rollkur (s. Infokasten) verschrien. Er selbst nennt die Methode „Low, deep and round“ (LDR). „Wir nehmen das Wort Rollkur nicht in den Mund, Totilas wird nicht danach geritten“, betont Kai Meesters.

Das Ergebnis der neuen Trainingsmethoden war auf dem Vorbereitungsplatz in Hagen erstmals zu sehen (s. Foto) und erzürnte große Teile der Reiterwelt. „Rollkur für Totilas“ kritisierten die Medien, „Das Wunderpferd stürzt ab“, „Der Zauber ist verflogen“, „Vom Wunderhengst zum Problempferd“. Eine „Auslegungssache“ sei das, die entsprechenden Fotos seien „Momentaufnahmen, sagt Meesters, das habe nichts mit aggressivem Reiten zu tun. „Es gibt Pferde, die von sich aus so tief gehen. LDR ist eine gymnastizierende Art des Reitens.“

Ermahnung durch den damaligen Bundestrainer Jonny Hilberath

Der damalige Bundestrainer Jonny Hilberath hatte den Reiter in Hagen allerdings ermahnt, den Hengst mit einer weniger tiefen Kopf-Hals-Einstellung zu reiten. Während es anschließend im Grand Prix de Dressage die Goldschleife gab, kam von der FN Kritik: „Das Vorbereiten des Pferdes in besagter Haltung entspricht nicht den Ausbildungsrichtlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung und ihrer Vorstellung von der klassischen Reitweise. Dennoch hat der Reiter Matthias Alexander Rath weder gegen das Reglement, noch gegen den Tierschutz verstoßen“, hieß es in einer Stellungnahme der FN.

Ende Januar hat nun ein runder Tisch getagt: „Experten aus Tiermedizin, Ausbildung, Richterschaft und Dressursport haben intensiv diskutiert, welche Art zu reiten den Richtlinien entspricht, wann es grenzwertig wird und welche Bilder wir nicht sehen wollen“, sagt FN-Sprecherin Susanne Hennig. Ein Ergebnis gibt es noch nicht, weitere Gespräche sollen folgen.

Nachdem Rath im vergangenen Juli wegen einer Erkrankung am Pfeifferschen Drüsenfieber seinen Verzicht auf die Olympia-Teilnahme bekannt gegeben hatte, war im Oktober mit der Anzeige durch Peta ein weiterer Tiefschlag gefolgt: Die Tierschutz-Organisation wirft Matthias Rath, Paul Schöckemöhle und Ann Kathrin Linsenhoff Tierquälerei in Form der Rollkur und isolierter Boxenhaltung vor. „Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit in diesem Fall und hat die hessische Landestierschutzbeauftragte Madeleine Martin mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt“, sagt dazu Peta-Rechtsanwältin Davina Bruhn.

Bei Olympia 2016 will Matthias Rath dabei sein

„Das ist an den Haaren herbeigezogen. Wir würden Totilas nie Schaden zufügen“, sagt Kai Meesters zu den Vorwürfen. Das Team rund um den schwarzen Hengst will gelassen bleiben. „2012 war nicht mein Traumjahr“, gestand unterdessen Matthias Rath kürzlich der „Bild am Sonntag“. In diesem Jahr soll Totilas deshalb weniger decken, „die Konzentration liegt voll auf dem Sport“, so Rath. „Bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio wollen wir dabei sein.“