Kino Was ein Kinofilm über Toni Kroos verrät

Düsseldorf · Am Sonntag feiert der Dokumentarfilm „Kroos“ Premiere in Köln. Mit Lobeshymnen, aber auch Nuancen des privaten Fußballers. Und einem schönen Zitat des Opas.

Foto: dpa/BROADVIEW Pictures

Alles ist Glamour, die Maschinerie des Hochleistungsfußballs läuft, glitzert: Toni Kroos im Länderspiel. Schnitt. Unter Reportern, denen er sagt, wie schlecht die jungen Kollegen spielen, die es besser zu können glauben. „Einige hatten die Chance, sich zu zeigen, das haben sie nicht getan“, sagt Kroos. Schnitt. Kroos im Solo-Transfer zum Flughafen. Schnitt. Im Privatjet zurück nach Madrid. Mitten in der Nacht. „Jede Stunde ist es wert, nachts durch die Gegend zu fliegen. Zu anstrengend gibt es nicht, um so schnell wie möglich nach Hause zu kommen“, sagt Toni Kroos. „Das ist ein Gefühl. Ich habe den Drang. Und meine Frau hat den auch.“ Schnitt.

Es gibt diese intimen Momente in dem Kino-Dokumentarfilm „Kroos“, der – hochwertig produziert – an diesem Sonntag in Köln Premiere feiert und ab dem 4. Juli in die Kinos kommt. Der handelt von einem Fußballerleben im Scheinwerferlicht, das ein Typ lebt, der die Scheinwerfer nie gesucht hat. Aber dann doch in der Mitte steht, weil ihn da alle sehen wollen. Und er eben so verdammt gut Fußball spielt.

Toni Kroos, der Junge aus Greifswald, das wird in diesem fast zweistündigen Werk von Manfred Oldenburg deutlich, ist voller Selbstbewusstsein in die eigene Stärke. Immer gewesen. Immer noch. „Man wirft ihm ja diese Lässigkeit vor. Null Bock. Das ist er aber nicht“, sagt Kroos’ Ehefrau Jessica. „Er hat aber ein wahnsinniges Selbstbewusstsein. Er kann mit vielem schnell abschließen. Aber das muss er auch. Sonst überlebst du da nicht“, sagt sie und charakterisiert eine Branche.

Die Charakterzeichnung des Menschen Kroos übernehmen seine engsten Vertrauten. Vater Roland, Bruder Felix, der Zweitliga-Fußballer, die Mutter. Und seine Frau, die den bisweilen stoischen Toni früh erklären musste. „Das ist wahrscheinlich diese Mauer, die man sich baut, wenn man so beäugt wird“, sagt Frau Kroos. „Wenn ich ihn Freunden vorgestellt habe, habe ich gesagt: Seid nett zu ihm, weil er schon mal komisch rüberkommen kann. Er hält eben keinen Smalltalk. Und er braucht eine Zeit, bis er mit jemandem warm wird.“

Noch privater wird der Dokumentarfilm, wenn als Gegenentwurf zum Bernabeu-Stadion von Real Madrid der Kontrast in die „Gartensparte Erlen­aue“ verlegt wird. Dort sitzen Oma und Opa Kroos und philosophieren über Toni. Oma findet die Tätowierung auf dem ganzen Arm „doof, aber das weiß er auch“. Und die Kroos-Brüder erhalten noch heute Tipps vom Opa, wenn der Union Berlin (Felix) oder Real via TV verfolgt. „Auch mal lupfen, wenn der Torwart schon am Boden liegt. Da ist noch was drin“, sagt Opa Kroos – und man möchte den Moment in dieser Gartenlaube einfrieren. Woher der Toni seine Ruhe hat? Rätselraten in der Familie. Mutter findet, „das hat er sich ganz alleine angeeignet“.

Hoeneß ist aus einem Grund sauer auf Toni Kroos

Womöglich beim FC Bayern, der nicht so wahnsinnig gut wegkommt im Film. Das Ganze ist auch eine Abrechnung mit dem Rekordmeister. Weil Kroos als 16-Jähriger kommt (Mutter Kroos: „Ich habe zuhause immer weiter für Vier gedeckt“), reinwächst, aber selten spielt. „Ich habe beim FC Bayern immer gehört, wie gut ich war, aber nicht gespielt. Dabei war mir immer klar, dass das am Trainer liegt und nicht an mir“, sagt Kroos. Fast arrogant.

Von Bayern ging es per Leihe nach Leverkusen, wo Jupp Heynckes förderte. Zurück wollte Kroos nicht, aber die Bayern wollten das, Kroos unterschrieb und hatte „das nach zehn Sekunden bereut“. Zwar wurde er Stammspieler, aber klar wird auch, dass Bayern-Präsident Uli Hoeneß bis heute sein Problem mit ihm hat. „Den kannst du nachts wecken, der verwandelt jeden Elfmeter. Aber im Champions League-Finale gegen Chelsea bei uns im Stadion, als wir 2012 verloren haben, da hat er im Elfmeterschießen nicht geschossen“, sagt Hoeneß, und der Blick ist noch heute pure Verachtung, weil Schweinsteigers und Olics Fehlschüsse das verpatzte „Finale dahoam“ bedeuteten. Historie.

Kroos ist längst der nach Titeln erfolgreichste deutsche Fußballer aller Zeiten, wie Berater Volker Struth in die Kamera sagt. Dass Kroos nach der verweigerten Vertragsverlängerung in München, wo sie nicht zahlen wollten, was er als seinen Marktwert identifiziert hatte, wenige Wochen später Weltmeister wurde, war das auch für Struth „Jackpot“. Ein vertragsloser Weltmeister: Er vermittelte Kroos an Real, Struth ist längst selbst Millionär.

Und dann wird es um den einst verpickelten 17-Jährigen glamourös, der Film feiert jetzt den Fußballer. „Sein Fuß ist magisch“, sagt Robbie Williams und fordert: „Komm’ zu Manchester United!“ Philosoph Wolfram Eilenberger sagt: „Kroos denkt das Spiel immer drei Pässe weiter.“ Und wunderschön spricht TV-Mann Marcel Reif: „Er ist wie ein Landvermesser: Bevor Architekten was aufbauen, muss alles erst einmal eingeebnet werden. Und wenn das Feuerwerk kommt, ist Kroos schon wieder woanders. Weil dort schon wieder etwas vermessen werden muss.“ Dazu passt das Kabinenbild der Weltmeister 2014 in Rio: Alle stehen da mit Kanzlerin Merkel und Präsident Gauck, jubeln, tanzen. Nur Kroos hockt allein im Kabinen-Hintergrund. Und der spanische Sportjournalist Santiago Segurola sagt: „Die Leute in Spanien können nicht wirklich sagen, wer Toni Kroos ist. Er ist selten in der Öffentlichkeit. Das ist bei Real sehr selten. Aus unserem Blickwinkel ist er ein typischer Deutscher. Blond, groß – und lächelt nicht viel.“

Kroos verbringt jede freie Minute daheim mit Frau und den Kindern Leon und Amelie. „Wir leben seit vier Jahren in Madrid, ich war aber noch nie in der Stadt. Wir sind zu Hause wie ein altes Ehepaar“, sagt Jessica. Sein Bruder sagt: „Er könnte ein, zwei Mal mehr über seine Gefühle reden. Aber sonst darf er so bleiben.“