Biathlon-Star Neuner: „Sport ist nicht alles“

Wallgau (dpa) - In den vergangenen beiden Jahren war Magdalena Neuner beim Saisonauftakt zum Zusehen verdammt, in den WM-Winter startet die Biathlon-Rekordweltmeisterin diesmal voller Elan.

Denn aus den krankheitsbedingten Startabsagen in der Vergangenheit hat die 24-Jährige ihre Lehren gezogen und sprüht nun förmlich vor Tatendrang. „Ich freue mich einfach drauf, dass es wieder richtig losgeht“, sagte die Doppel-Olympiasiegerin vor dem Weltcup-Beginn in dieser Woche in Östersund. Ob die Doppel-Olympiasiegerin in Schweden in ihre letzte Saison startet, ließ sie offen.

„Ich denke nur noch von Jahr zu Jahr“ - mit dieser Aussage hat Magdalena Neuner bereits im Alter von nur 23 Jahren ihre Fans überrascht. Auch ein Jahr später ist der deutsche Biathlon-Star davon nicht abgewichen. Eine Ü-30-Karriere à la Kati Wilhelm oder Uschi Disl wird sie nicht hinlegen. „Sport ist nicht alles, und ich habe immer gesagt, dass ich nicht mit über 30 noch Biathlon machen will. Es gibt noch ein Leben nach dem Biathlon - und das will ich auch genießen“, kündigte die Wallgauerin in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa an.

Vielleicht läuft sie noch bis zu den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi, vielleicht macht sie nach der Heim-WM in Ruhpolding im März 2012 Schluss. Denn besessen ist die zehnmalige Weltmeisterin von der Jagd nach Titeln und Rekorden nicht. „Ich wollte Weltmeisterin und Olympiasiegerin werden sowie den Gesamtweltcup holen. Das habe ich geschafft. Superlative interessieren mich nicht und ändern nichts an meiner Einstellung“, erklärte die Bayerin, die mit 21 Jahren als bisher jüngste Biathletin Weltcup-Gesamtsiegerin wurde.

Vom Erfolg wird sie ihre Entscheidung nicht abhängig machen, „weil das Thema ist ja eigentlich schon vorbei. Ich möchte es einfach so machen, dass ich sag', es muss für mich richtig sein und passen, es muss der richtige Zeitpunkt sein“, erklärte sie. Alt wie zum Beispiel Norwegens Star Ole Einar Björndalen (37) wird sie in ihrem Sport jedenfalls nicht, das macht sie immer wieder unmissverständlich klar.

Doch noch ist Biathletin für sie der schönste Beruf der Welt. In der Vorbereitung ging sie in diesem Jahr ihren eigenen Weg. Sie trainierte in Absprache mit den Bundestrainern und dem Team fast ausschließlich zu Hause mit ihrem Coach Bernhard Kröll. So ließ sie im November den Finnland-Lehrgang in Muonio bewusst aus, war stattdessen in Oberhof in der Skihalle und in Obertilliach: „Ich bin in den letzten Jahren in Muonio immer krank geworden und musste den Saisonstart in Östersund auslassen. Und irgendwann muss man die Konsequenz daraus ziehen.“

Als Sonderrecht will Neuner das nicht verstanden wissen, wenngleich sie zu Hause „ein bisschen mehr Normalität und ein paar Freiräume“ genoss und klar ist, dass das außer ihr wohl keinem zugestanden wird. „Wir haben darüber gesprochen, auch in der Mannschaft. Es hat keinen gegeben, der gesagt hat, dass es nicht okay ist“, sagte die 24-malige Weltcupsiegerin, für die das erste Saisonrennen am Donnerstag im Einzel eine Standortbestimmung ist.

Der Fokus in dieser Saison liegt ganz klar auf der Heim-WM in Ruhpolding. Dass sie und ihre Teamkollegen wie die Fußballerinnen oder Skirennfahrer an der enormen Erwartungshaltung scheitern könnten, glaubt Magdalena Neuner nicht. „Ich habe überhaupt keine Angst, nur Freude. Es wird nicht ganz einfach mit dem Druck umzugehen. Aber ich denke, dass ich es hinkriegen werde“, sagte sie. Wichtig für sie ist die intensive Zusammenarbeit mit ihrem Mental-Coach: „Das ist für mich ein absoluter Bestandteil des Trainings geworden. Wenn ich das nicht machen würde, könnte ich wahrscheinlich nicht so erfolgreich sein.“

Neuners Ziele sind der Gesamtweltcup und WM-Gold, ihre Leistung von der WM 2011 in Chanty-Mansijsk - drei Titel und zweimal Silber - ist aber nur schwer zu toppen. „Ich habe jetzt mit einem Schmunzeln gesagt, ich will sechs Medaillen holen. Am Ende versuche ich, so viele Medaillen wie möglich zu holen, aber ich habe keinen Druck oder irgendwas. Ich möchte gerne Weltmeisterin im eigenen Land werden, ganz oben stehen und die deutsche Hymne hören.“