Quo vadis Damen-Biathlon? - Skijäger selbstbewusst
Leipzig (dpa) - Schon vor dem ersten Schuss des Biathlon-Winters warb Damen-Bundestrainer Gerald Hönig um Verständnis für sein stark verjüngtes Team.
„Damit der Neuaufbau gelingt, ist es notwendig, dass altersgerecht gute Ergebnisse nicht schlecht gemacht werden und nicht auf die Athleten eingedroschen und von Debakel geredet wird“, sagte Hönig mit Blick auf den Saisonstart mit der Mixed-Staffel am Sonntag (15.30 Uhr) in Östersund.
Für das erste Saisonrennen nominierten die Trainer am Donnerstag Franziska Hildebrand, Franziska Preuß, Arnd Peiffer und Simon Schempp. Miriam Gössner wird für ihr Comeback noch geschont. Auch Erik Lesser, zweimaliger olympischer Silbermedaillengewinner, startet erst in den Einzelrennen kommende Woche.
Derweil stehen die in der Vergangenheit durch Magdalena Neuner, Kati Wilhelm und Andrea Henkel so erfolgsverwöhnten Skijägerinnen vor einer ungewissen Zukunft - Fehlschüsse und vorerst ausbleibende Erfolge einkalkuliert. Anders sieht es bei den Männern aus, die mit einer homogenen und starken Mannschaft aufwarten können.
Nach dem Desaster von Sotschi, wo die deutschen Biathletinnen erstmals in der olympischen Geschichte keine Medaille geholt hatten, und dem Karriereende der Grande Dame Andrea Henkel sowie dem Dopingfall Evi Sachenbacher-Stehle liegt das Durchschnittsalter im Team bei 22 Jahren. „Die Mädels haben viel Potenzial. Aber sie sind es auch wert, dass man ihnen ein Stück weit Welpenschutz gibt und Geduld entgegenbringt“, erklärte Hönig.
Die bittere Erkenntnis von Sotschi war, dass die Nachwuchsarbeit bei den Damen angesichts der jahrelangen Erfolge sträflich vernachlässigt wurde. Nicht nur deshalb sind die Saisonziele bescheiden. „Ich wäre froh, wenn es uns gelingt, mit der einen oder anderen Athletin den Anschluss an die Weltspitze herzustellen. Wenn wir dann bei der WM unsere beste Saisonleistung abrufen können, hätten wir einiges richtig gemacht. Ziel ist es, 2016 bis 2018 wieder eine schlagkräftige Truppe zu haben“, erklärte Hönig.
Marie Heinrich (20), Luise Kummer (21), Annika Knoll (21) und Vanessa Hinz (22) sind vielen Fans noch so gut wie unbekannt. Auch die bereits weltcuperfahrenen Franziska Preuß (20) und Laura Dahlmeier (21), die wegen einer Fußverletzung im Sommer immer noch nicht richtig fit ist, sind noch sehr jung. Und Franziska Hildebrand (27) gehörte bisher allenfalls zur erweiterten Weltspitze.
In Bestform ist wohl Miriam Gössner derzeit die einzige deutsche Siegläuferin. Doch die 24-Jährige hat nach dem schweren Radunfall im vergangenen Frühjahr und der bitteren Olympia-Absage noch mit sich selbst zu tun. Nach mehr als sieben Monaten Trainingsausfall will sie peu à peu zu alter Form zurückfinden: „Wir sind ein Team für die Zukunft. Aber ich hoffe, dass uns Medien und Fans die Zeit geben, die wir brauchen und bei Misserfolgen nicht gleich draufhauen.“
Bei den Damen dürften neben der dreimaligen Olympiasiegerin Darja Domratschewa (Weißrussland) wie im Vorjahr die Finnin Kaisa Mäkäräinen, Gabriela Soukalova aus Tschechien und die Russinnen die besten Chancen auf die Podestplätze haben.
Männer-Coach Mark Kirchner hat hingegen keine großen Sorgen, denn die Skijäger haben den Umbruch erfolgreich vollzogen. „Wir haben in den letzten vier Jahren ein starkes Team geformt. Man merkt, dass wir alle Spaß an der Arbeit haben, uns gegenseitig austauschen und weiterentwickeln“, sagte Kirchner. Die Ansprüche sind hoch: „Neben dem erneuten Gewinn des Staffel-Weltcups sollten wir das Ziel haben, bei jedem Rennen zumindest einen in Podestnähe zu platzieren. Bei der WM wollen wir wieder um Staffel-Gold mitlaufen und auch bei den Einzelentscheidungen mitreden.“
Die olympische Silber-Staffel mit Erik Lesser, der auch Einzel-Silber gewann, Daniel Böhm, Arnd Peiffer und Simon Schempp ist für den Saisonauftakt gesetzt. Beim IBU-Cup in Beitostölen kämpfen am Wochenende unter anderem der in der Vorbereitung durch eine Schulterverletzung gehandicapte Andreas Birnbacher, Christoph Stephan, Florian Graf und Benedikt Doll um die letzten beiden Weltcup-Startplätze wie auch die Damen, bei denen bisher nur Gössner, Hildebrand, Preuß und Hinz in Östersund dabei sind.
Podestplätze einzufahren, wird aber angesichts der Konkurrenz dennoch nicht so einfach. Denn das Niveau bei den Männern ist enorm hoch, fast 30 Athleten können den Sprung auf das Podium schaffen. Wie im Jahr zuvor heißen die üblichen Verdächtigen: Olympiasieger und Weltcup-Gesamtsieger Martin Fourcade und seine französischen Teamkollegen, Norwegen mit Oldie Ole Einar Björndalen, Emil Hegle Svendsen und Johannes Thingnes Bö sowie die Russen und Österreicher.