Triumphator Lesser holt Gold in der Verfolgung
Kontiolahti (dpa) - Kurz vor dem Ziel dreht sich Erik Lesser noch einmal zweifelnd um. Dann huscht ein Lächeln über sein abgekämpftes Gesicht. Wenig später kreuzt der Thüringer die Unterarme und reißt sie zum Bergarbeiter-Gruß in die Höhe.
In jenem Moment ist der 26-Jährige in Kontiolahti mit dem allerersten Biathlon-Sieg seiner Karriere als Verfolgungs-Weltmeister über die Ziellinie gefahren. Seine Geste im Augenblick des Triumphes beschrieb der stolze Sieger später so: „Wenn ich das so mache, dann ist es meist den Jungs in Aue gewidmet. Ich kämpfe hart, die Jungs kämpfen hart“, sagte der Fan des Fußball-Zweitligisten FC Erzgebirge Aue über die „gekreuzten Hämmer“. Denn kämpfen, das ist auch das Lebens-Motto des in Suhl geborenen neuen Champions.
Ein Jahr nach seinem Silber-Coup im Einzel-Wettkampf bei Olympia in Sotschi war es wieder Lesser, der die Last der Erwartungen von den deutschen Skijägern nahm. Doch vergleichen wollte er die Erfolge nicht: „Ich habe schon darüber nachgedacht. Es ist irgendwie gleich geil“, sagte er. „Letztes Jahr hat alles gepasst, dieses Mal hat alles gepasst. Die beiden Erfolge sind auf einem Level.“
Nachdem die als Favoriten gehandelten Simon Schempp und Arnd Peiffer am Samstag im Sprint nicht in Fahrt kamen, war Lesser am Sonntag im Jagdrennen mit einem Rückstand von 30 Sekunden als Fünfter auf Weltmeister Johannes Thinges Boe losgelaufen. Und siegte dank einer fehlerfreien Leistung am Schießstand mit einem Vorsprung von 17 Sekunden vor dem Russen Anton Schipulin und lag noch 18,7 Sekunden vor dem Norweger Tarjei Boe.
Erwartet hatte Lesser den Erfolg nicht. Und genau das ist das Geheimnis. „Das ist vielleicht das Quäntchen Realismus, das in mir steckt. Ich will nicht über mich hinauswachsen. Ich will einfach mein Ding machen.“ So einfach ist das manchmal.
„Es fühlt sich sehr geil an. Ich bin nicht angereist, um eine Medaille zu gewinnen, aber trotzdem nehme ich sie gerne, wenn ich sie um den Hals gehängt bekomme“, sagte er nach seiner Gala im Nieselregen. Wie der Biathlet wirklich tickt, zeigt auch folgender Satz: „Jetzt kann man wieder sagen, die Obrigkeiten haben eine Goldmedaille zu verzeichnen und die können sich freuen.“
Nach seinen 20 Volltreffern ist Lesser erst der dritte deutsche Verfolgungsweltmeister nach Ricco Groß und Frank Luck. Bundestrainer Mark Kirchner nahm seinen Schützling nach dem Triumph in den Arm. „Da ist einfach Freude pur. Eine große Genugtuung, die man verspürt“, sagte der Coach, selbst Olympiasieger.
„Er weiß, was verlangt wird bei Großereignissen“, beschrieb Kirchner seinen Weltmeister, den er in Oberhof, genau wie den letzten deutschen Weltmeister Peiffer (2011 im Sprint) betreut. Der WM-Sieg, meinte Kirchner, sei ein Zeichen, dass sich Lesser weiterentwickelt habe. „Er ist ein Typ, der sehr rational gewisse Dinge einschätzen kann. Das kommt ihm bei solchen Großereignissen zu Gute.“
Trotzdem war auch Lesser ein wenig aufgeregt. „Beim letzten Schießen ist mein Herz vielleicht ein bisschen in die Hose gerutscht, aber ansonsten war meine Aufregung gedämpft.“
Denn sein Weg in die Weltspitze war lang. Auch wenn ihm durch Großvater Axel Lesser, der von 1968 bis 1976 an drei Olympischen Spielen teilnahm und 1970 WM-Silber mit der DRR-Staffel gewann, das Skilanglauf-Gen quasi in die Wiege gelegt wurde.
Seit rund 16 Monaten sorgt Dalmatiner-Hündin Jess für Leben in Lessers Heim in Oberhof. „Sie bestimmt zu großen Teilen unseren Alltag“, sagte seine Freundin Nadine der „Thüringer Allgmeinen“. Lesser selbst stellte fest: „Wir haben gezielt nach einer Hunderasse gesucht, deren Eigenschaften zu uns passen.“