Kritik wegen Winterspiele 2026 Das olympische Erbe: Lehren oder leere Versprechen?
Antholz · Ein Jahr vor dem Start der Winterspiele in Italien wehren sich die Unterstützer der Vergabe. Kritik gibt es vor allem an den Baumaßnahmen, die ursprünglich gar nicht hätten durchgeführt werden sollen.
Von großer Vorfreude auf die Olympischen Winterspiele im eigenen Land ist bei vielen Südtirolern ein Jahr vor dem Start der Wettkämpfe in Italien nichts mehr zu spüren. Kritiker gibt es viele - nicht nur aus den eigenen Reihen. Auch der frühere Ski-Star Felix Neureuther zeigt sich angesichts der gewaltigen Baumaßnahmen wie unter anderem in der Antholzer Biathlon-Arena „ziemlich geschockt“, wie er in einer Dokumentation der ARD sagte.
Noch 2020 fand im Pustertal die Biathlon-WM statt. Dann wurde die Anlage nach 2006 ein weiteres Mal für mehr als 50 Millionen Euro modernisiert. Gebaut wurden ein unterirdischer Schießstand, eine neue Beschneiungsanlage sowie ein Speicherbecken mitten im Wald. Das rief Umweltschützer und Skeptiker auf den Plan. „Wir investieren in einen Wintertourismus, der längst Schnee von gestern ist“, meint Elide Mussner, Gemeindereferentin von den Grünen.
Nachhaltig? „Das geht einfach nicht“
Finanziert wurden die Bauvorhaben mit Geldern aus den Staats- und Landeskassen, die eigentlich gar nicht hätten ausgegeben werden sollen. Denn ursprünglich sollten ausschließlich die bestehenden Anlagen bei den Olympischen Winterspielen vom 6. bis 22. Februar genutzt werden - aus Gründen der Nachhaltigkeit. „Diesen Begriff sollte man im Zusammenhang mit Großereignissen nicht verwenden, das geht einfach nicht“, sagte der Klimaforscher Georg Kaser.
Nach der Vergabe der Spiele an Italien wurde dann aber beschlossen, dass einige Maßnahmen „notwendig, wesentlich-wichtig, nützlich oder funktionell“ seien. 28,5 Millionen Euro sollten allein die Anpassungen in Antholz laut einer Studie kosten.
Inzwischen wird fast doppelt so viel Geld benötigt, wie der Chef des Organisationskomitees (OK) von Antholz, Lorenz Leitgeb, der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. „Wie es bei Studien halt so ist: Es gibt dann auch Überraschungen.“ Er verwies auch auf enorme Preissteigerungen bei Rohstoffen, was nicht abzusehen gewesen sei: „Das summiert sich dann.“ Insgesamt sollen sich die Kosten für alle Wettkampfstätten von Mailand und Cortina d'Ampezzo nun auf mehr als fünf Milliarden Euro belaufen, hieß es.
Ärger um Bobbahn
Noch mehr Ärger als in Antholz gibt es in Cortina. Die Bobbahn muss innerhalb kürzester Zeit für viel Geld komplett neu gebaut werden. Ein Vorhaben, das das Internationale Olympische Komitee (IOC) ablehnte, die italienische Regierung dennoch vorantrieb. Sollte die Bahn nicht rechtzeitig fertiggestellt werden können, sieht ein abstruser Plan angeblich vor, ins mehr als 6.000 Kilometer entfernte Lake Placid in den USA zu wechseln - trotz bestehender Weltcup-Eiskanäle in anderen europäischen Ländern.
Schon 2006 fanden in Italien Winterspiele statt, damals in Turin. Die Wettkämpfe der Skispringer wurden in Pragelato ausgetragen. Mitten in den Hang wurden Sprungtürme gebaut, Hotels errichtet - und es wurde Natur zerstört. Gut 19 Jahre später ist diese Sportstätte verlassen. Auf dem Gelände der Schanze wachsen Wildsträucher, Skispringen ist in den Ruinen nicht mehr vorstellbar. Das vielbeschworene olympische Erbe - in Pragelato ist es ein nicht eingelöstes Versprechen.
Auffällig ist, dass in dem Zusammenhang mit den Spielen im kommenden Jahr Informationen kursieren, die nach Angaben Leitgebs falsch sind. So berichteten Biathlon-Fans während des Weltcup-Wochenendes von Antholz sorgenvoll, dass Felder, auf denen Busse während der Veranstaltung parkten, betoniert werden sollen. Das ist laut Leitgeb nicht korrekt. Ebenso wenig sollen die Steuern für Hotellerie und Gastronomie aufgrund der Spiele steigen. „Das hat mit dem Konzept des Tourismus zu tun, nicht mit den Olympischen Spielen“, sagte er.
Umbauten nicht wegen Olympia
Außer der Gemeinde, die als Bauträger auftritt, mischt in Antholz auch die Südtiroler Landesregierung mit. Sie sieht sich mit Wortbruch-Vorwürfen konfrontiert. „Es gab bei uns schon die Debatte: Ist das jetzt noch so, wie wir es versprochen haben? Aber es stimmt weiterhin“, sagte Landeshauptmann Arno Kompatscher. „Diese Bautätigkeiten sind nicht gemacht worden, weil das IOC das verlangt hat. Der Bau in Antholz ist ein langgehegter Wunsch der Betreiber.“
Ein weiterer Aspekt, der Unmut ausgelöst hat, ist die Modernisierung der Infrastruktur. In Antholz führt nur eine einzige Straße zur Biathlon-Arena. Sie soll während der Spiele möglichst wenig und vorrangig von Shuttles befahren werden. Für Entlastung soll ein doppelstöckiger Kreisverkehr auf dem Anfahrtsweg sorgen. Der Heimatpflegeverband bemängelt: „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.“
Modernisierung nur dank Olympia
Diese Kritik möchte Leitgeb so nicht stehen lassen. „Es wird viel, viel mehr Geld in das Schienennetz oder Infrastrukturprojekte investiert. Zum Beispiel auch in die Stromversorgung. Für das Land wären viele Vorhaben ohne Olympia nie durchführbar gewesen.“
Der OK-Chef von Antholz meint zudem, dass es genügend Befürworter der Spiele gebe, diese aber nicht an die Öffentlichkeit gingen. Anders als die Kritiker. „Denen wird halt viel Raum gegeben.“ Die Diskussionen werden bis zum Start der Spiele wohl kaum abebben. Aufhalten werden die Kritiker die Baumaßnahmen aber nicht mehr.
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