Pechstein verblüfft alle: 30. Weltcupsieg
Calgary (dpa) - Diesen Coup hatte Claudia Pechstein wohl niemand zugetraut. Eine einmalige Rundenkonstanz auf der 3000-Meter-Distanz und ein phänomenaler Schlussspurt hatten ihr zum Auftakt der Olympia-Saison im stolzen Alter von 41 Jahren den 30. Weltcupsieg ihrer Eisschnelllauf-Karriere beschert.
Danach tollte sie um das Olympic Oval von Calgary, ballte die Fäuste, küsste ihre Kufen und drehte der Konkurrenz vor laufenden Kameras eine Nase.
In 3:59,04 Minuten näherte sie sich ihrer persönlichen Bestzeit bis auf 1,69 Sekunden und hielt im direkten Duell selbst Weltmeisterin Ireen Wüst in Schach. Der Niederländerin stand die Enttäuschung danach ins Gesicht geschrieben.
Pechstein durfte sich indes auch über eine herzliche Umarmung von Olympiasiegerin Martina Sablikova freuen. Die Tschechin hatte im letzten Paar Pechsteins Zeit nicht knacken können, Wüst aber noch auf Platz drei verdrängt.
„Geil, einfach nur geil. Nie hätte ich gedacht, dass ich Ireen Wüst noch einholen kann. Aber als ich ihr immer näher kam, wollte ich es wissen“, meinte die Hauptstädterin nach ihrem Überraschungscoup. Nicht zuletzt führte sie ihre Leistung auf die neu optimierten Kufen zurück, die sie lange getestet hatte. Erst im Sommer war das neue Schleifverfahren so ausgereift, dass sie damit an den Start gehen konnte. Pechstein kommt mit der neuen Technik fabelhaft zurecht, die Grundlagen für den Sieg hatte sie aber mit einem rundum gelungenen Training im Sommer gelegt.
Teamchef Helge Jasch lobte vor allem die Konstanz von Pechstein, die alle Runden zwischen 30,6 und 31,5 Sekunden absolviert hatte. „Das ist ein Auftakt, wie wir ihn uns gewünscht hatten“, meinte er. Einen Tag vor dem Triumph in Calgary hatte Pechstein ein weiteres ungewöhnliches Jubiläum gefeiert. Sie war zum 500. Mal in ihrer Karriere auf Doping getestet worden, so oft wie keine andere Eisschnellläuferin der Welt.
Zuvor hatte in Jenny Wolf eine weitere „Grande Dame“ des deutschen Eisschnelllaufs einen furiosen Auftakt hingelegt. Die 34 Jahre alte Berlinerin kam über 500 Meter in glänzenden 37,14 Sekunden auf den zweiten Platz. Der Sieg ging an Olympiasiegerin Lee Sang-Hwa in 36,91 Sekunden, nur die Südkoreanerin selbst war bei ihrem Weltrekordlauf von 36,80 Sekunden noch schneller.
„So eine Zeit gleich im ersten Lauf der Saison, das ist schon prima“, meinte Jenny Wolf. „Sicher kam mir die Auslosung etwas entgegen, aber vor allem auch mit meinem Angang kann ich sehr zufrieden sein“, sagte die routinierte Sprinterin. In 10,22 Sekunden war sie die mit Abstand schnellste 100-Meter-Zeit des Feldes gelaufen.
Die deutsche Meisterin Judith Hesse verbesserte ihre persönliche Bestzeit um 0,11 Sekunden auf 37,68 Sekunden und kam auf Rang acht. Die Erfurterin schaffte wie Pechstein und Wolf auf Anhieb die nationale Olympia-Qualifikation für Sotschi. Gar nicht zufrieden war hingegen Stephanie Beckert mit ihrem 15. Rang über 3000 Meter. In der B-Gruppe der Herren über 500 Meter kam Samuel Schwarz in 34,71 bis auf 0,07 Sekunden an den deutschen Rekord von Nico Ihle heran, der selbst in 34,91 auch unter 35 Sekunden blieb.