Nach Ski-Stürzen: Österreicher suchen Normalität

Hinterstoder (dpa) - Nach den schweren Stürzen ihrer drei Teamkollegen ist für Österreichs Ski-Herren noch längst kein Alltag eingekehrt. Routiniert sprechen Michael Walchhofer & Co. im schneeweißen VIP-Zelt von Hinterstoder wenige Tage vor der WM über Medaillenchancen.

Als das Thema auf den jüngst aus dem künstlichen Tiefschlaf erwachten Hans Grugger wechselt, gerät Benjamin Raich dann kurz ins Stocken: „Man redet jeden Tag: 'Wie geht's dem Hans'“, sagt der Doppel-Olympiasieger. Auch seine Landsmänner Georg Streitberger und Mario Scheiber mussten ihre Saison verletzt beenden. „Es ist ein Wahnsinn. So eine Situation hatten wir noch nie“, meint Raich.

Zwar sind die Ausfälle für die stets unter enormen Erfolgsdruck stehenden österreichischen Alpin-Herren sportlich ein Rückschlag beim Vorhaben, die Schmach der medaillenlosen Olympischen Winterspiele von Vancouver vergessen zu machen. Doch Cheftrainer Mathias Berthold trifft es vielmehr „persönlich. Das ist eine brutal schwierige Zeit. Man würde sich am liebsten irgendwo verkriechen.“

Vor der Super-G-Generalprobe am Samstag führt Streitberger den Disziplinen-Weltcup an, Scheiber galt in der Königsdisziplin Abfahrt als Kandidat für Edelmetall. Als ihn ein heimischer Journalist mahnend erinnert, dass Österreich „seit acht Jahren kein Speedgold gewonnen“ hat, blockt Berthold jede Spekulation über Medaillen ab. „Wenn du mit Erwartungen zur WM gehst, geht es es sowieso schief“, sagt der frühere deutsche Damencoach an der Höss-Panoramastraße in Hinterstoder.

Vor einigen Tagen übermittelte ihm Gruggers Lebensgefährtin die gute Nachricht, dass der 29-Jährige auf der Intensivstation erste Worte mit seiner Familie wechselt. „Das war herrlich“, sagt Berthold.

Ansonsten waren gute Nachrichten für das Team Austria auf dem Weg nach Garmisch zuletzt Mangelware. Nach starkem Saisonstart mit fünf Siegen bis Ende Dezember gelang dieses Jahr bislang nur ein Erfolg. An der prestigeträchtigten Kitzbüheler Streif, wo Grugger verunglückte, sprangen nur zwei Podestplätze heraus. „Die Mannschaft rappelt sich immer wieder aus der schwierigen Situation auf“, sagt Berthold.

Ob der in Chamonix schwer gestürzte Scheiber überhaupt noch einmal in den Weltcup zurückkehrt, ist fraglich. „So interessiert mich das nicht, so macht es keinen Sinn mehr. So konkret wie jetzt habe ich noch nie ans Aufhören gedacht. Aber es drängt nicht“, meinte der 27-Jährige auf „orf.at“. Das ganze Team sei derzeit verunsichert. „Jeder ist froh, wenn er gesund daheim ist und nicht auf einer Intensivstation liegt.“

Damit sich diese verhängnisvolle Sturzserie auf lange Sicht nicht fortsetzt, diskutieren die Athleten auch intern, was sich ändern muss. Raich regt die Rückkehr zu längeren und schmaleren Ski an, die deutlich weniger aggressiv sind. „Da muss man nicht fünf Jahre forschen, sondern schnell reagieren.“ Insgesamt werde in der Szene aber sensibel mit dem Thema umgegangen, betont Kollege Walchhofer. „Gegen die Pistenpräparation kann man zum Beispiel nichts sagen.“

Das Leben werde wieder normal, sagt Cheftrainer Berthold zum Abschied, „das ist aber das Gefährliche: Dass die Sicherheitsdiskussion wieder kein Thema mehr ist, wenn einen Monat nichts passiert.“