Skialpin: Experimente, Chancen - und ein Schock

Sölden (dpa) - Kein Großereignis, keine Top-Favoritin, dafür neue Gesichter und ein selbstbewusstes deutsches Team: Beim Weltcup-Start in Sölden beginnt für die alpinen Skirennfahrer eine Saison der Experimente, Reifeprüfungen und Chancen auf den großen Coup.

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Der Deutsche Skiverband (DSV) setzt neben seinen Technik-Herren um Felix Neureuther und Fritz Dopfer vor allem auf Viktoria Rebensburg. Deren Chance auf den Gesamtweltcup war noch nie so groß wie in diesem Winter ohne WM und Olympia. Die Österreicher müssen den Verletzungsschock von Anna Fenninger verdauen. Landsmann Marcel Hirscher rückt im Kampf um einen historischen Triumph noch mehr in den Fokus.

Viele Fragen prägen den Weltcup-Auftakt in Sölden, der für die Ski-Nation Österreich eigentlich einer der schönsten Tage im Jahr ist - eigentlich. Statt nach 216 Tagen Sommerpause am Samstag auf dem Rettenbachferner sorgenfrei feiern zu können, geht Rot-Weiß-Rot nach Rücktritten und der heftigen Knieverletzung von Superstar Fenninger schon arg dezimiert und angeschlagen in die neue Saison.

Aus Fenningers drittem Gesamtweltcupsieg in Serie wird nichts, und die Hoffnungen ruhen mehr denn je auf Hirscher. Das Kraftpaket aus Salzburg kann zum fünften Mal nacheinander die große Kristallkugel gewinnen und damit einen Rekord aufstellen. Ohne ein Großereignis im Februar gibt es zudem keine Ablenkung im Kampf um die insgesamt zwölf Glaspokale - von denen der DSV mindestens einen gewinnen will.

Die Hoffnungen ruhen neben Neureuther vor allem auf Rebensburg. Ihr Innenbandanriss vom Ende der vergangenen Saison ist auskuriert. Und mit der 26 Jahre alten Olympiasiegerin von 2010 „wollen wir wieder um den Disziplinen-Weltcup im Riesenslalom kämpfen“, kündigte DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier an. Aber auch die große Kugel ist im Verband längst ein Thema. Durch Fenningers Knieschaden sind die Chancen sogar unerwartet gestiegen. Fenninger wird die gesamte Saison ausfallen. „Wir wollen die Vicky so weit präparieren, dass sie in der Lage ist, mit Ansage um den Gesamtweltcup zu fahren. Sie muss in drei Disziplinen in der Weltspitze sein“, sagte Maier schon im Sommer.

Größte Favoritin auf den Gesamtweltcupsieg ist nach Fenningers Pech aber wohl Mikaela Shiffrin. Noch als Teenager gewann die Amerikanerin in den vergangenen beiden Jahren die Slalom-Kugel, sammelte Gold bei Olympia in Sotschi und den Weltmeisterschaften in Österreich und im eigenen Land. Nun, mit 20 Jahren, will sie zusätzlich zu Slalom und Riesenslalom auch im Super-G und der Kombination antreten. „Ich hoffe, dass ich nun in beiden technischen Disziplinen auf das Podest fahren kann. Mit Super-G und den Kombis kann ich sicher einige hundert Punkte mehr machen“, sagte Shiffrin.

Von Punkterekordhalterin Tina Maze droht keine Gefahr, die Slowenin hat ein Sabbatical eingelegt. Die Konkurrentin aus dem eigenen Verband, Lindsey Vonn, ist nach einem Knöchelbruch aus der Vorbereitung wohl erst mit Verspätung im Vollbesitz ihrer Kräfte und längst nicht mehr die Alles-Fahrerin früherer Jahre. Vonn will über einen Start im winterlichen Sölden kurzfristig entscheiden.

Auch hinter der Teilnahme von Neureuther steht bis zum Startsignal ein Fragezeichen. Der Sommer war gut, seit September steht der deutsche Rekordsieger im Weltcup wieder auf Ski. Aber die alten Probleme mit dem Rücken können jederzeit aufbrechen. „Man muss sich selbst auch ein bisschen eingestehen, dass es so ist, wie es ist“, meinte der 31-Jährige. Mental sei er aber super drauf und habe richtig Lust auf die neue Saison.

Bleibt der Routinier im starken deutschen Technik-Team gesund, dann ist auch der ersehnte Slalom-Weltcup nach drei zweiten Plätzen hinter Hirscher wieder ein Thema. Der 26-jährige Österreicher ist aber auch in diesem Jahr Topfavorit auf die Slalom-Kugel. Im Gesamtweltcup unternimmt der Norweger Kjetil Jansrud einen neuen Anlauf und auch der Franzose Alexis Pinturault möchte ganz an die Spitze.

Diesen Plan verfolgt auch Maier für sein Technik-Team. Allein mit Neureuther und Slalom-Vize-Weltmeister Dopfer in der absoluten Weltspitze will er sich auf Dauer nicht zufrieden geben. Die nächste Generation mit Linus Strasser, Stefan Luitz und Alexander Schmid drängt ins Rampenlicht - zur Freude des Alpinchefs: „Unser erklärtes Ziel ist es, in den nächsten Jahren die weltbeste Technikmannschaft zu stellen. Das ist zwar ein sehr ehrgeiziges Vorhaben, trotzdem haben wir uns das gemeinsam vorgenommen“, berichtete Maier.