Alles auf Null: „Gold-Evi“ startet neu durch
Kuusamo (dpa) - Die Nasenspitze ist ihr in diesem Winter schon zum zweiten Mal erfroren, doch das Lachen ist Evi Sachenbacher-Stehle nicht vergangen. Die erfolgreichste deutsche Skilangläuferin fühlt sich wohl wie selten.
Lediglich der Gedanke daran, dass sie am 27. November 30 wird, macht sie kurzzeitig wehmütig. „Daran muss ich mich erst einmal gewöhnen. Ist schon komisch, dass dann plötzlich eine 3 vorn steht“, sagt sie um gleich wieder kämpferisch zu werden: „Man ist so jung, wie man sich fühlt.“
Und da ist sie wohl immer noch 18. Zumindest kann sie sich nicht daran erinnern, in den vergangenen zehn Jahren so unbeschwert und problemlos eine Saisonvorbereitung absolviert zu haben. „Keine Schmerzen, keine Erkrankung - nichts. Ich habe mich jeden Tag auf das Training gefreut und fühle mich total wohl“, erzählt die Teamsprint- Olympiasiegerin von Vancouver. Ihre neue Lust auf Leistungssport macht sie auch an diesem Erfolg fest. „Ich denke gern zurück. Dieser Sieg war einfach gigantisch. Dieses Gefühl hole ich mir in Erinnerung, wenn es mal nicht so läuft oder wenn mir etwas schwerfällt. Es gibt neue Motivation“, sagt die Bayerin.
Gleichzeitig war der Olympiasieg aber auch ein Schlussstrich. Ihre langjährige Mitstreiterin Claudia Nystad (Oberweisenthal) beendete ihre Laufbahn. „Mit ihr habe ich doch alle Erfolge gemeinsam erreicht. Jetzt bin ich auf mich alleingestellt. Sie fehlt schon“, bemerkt „Gold-Evi“. Um sich neu zu orientieren, begann sie ihre Karriere praktisch von vorn. „Ich hatte total Lust, Neues zu probieren“, sagt Sachenbacher-Stehle und handelte. Eine neue Skimarke, andere Skistöcke, intensiveres Training. Und ein neues Selbstwertgefühl. „Ich mache mir überhaupt keinen Druck. Vielleicht liegt es an der Routine, ich weiß es nicht. Ich bin so locker wie nie zuvor, es geht alles ganz leicht“, beschreibt sie sich und wundert sich darüber.
Mit dieser Lockerheit peilt sie neue Ziele an. „Die WM in Oslo, das ist schon etwas ganz Besonderes. Dort noch mal eine Medaille zu holen, wäre schön“, sagt sie und betont, dass sie noch immer heiß darauf ist, in einem Einzelrennen auf das Siegerpodest zu laufen. „Klar weiß ich, dass das nicht die einfachste Sache ist. Aber ich war in Vancouver ja schon nah dran.“ Auf dem Weg dahin nimmt sie Rückschläge in Kauf. „Der 26. Platz in Gällivare war nicht das, was ich will. Aber ich weiß, dass ich immer erst in der Endphase der Saison so richtig in Schwung komme. Also ärgere ich mich nur kurz und denke positiv nach vorn“, meint Sachenbacher-Stehle.
Grund dazu hat sie allemal. „Die Stimmung in der Mannschaft ist so gut wie nie zuvor. Wir Mädels verstehen uns prächtig und alle haben im Sommer einen Leistungssprung gemacht. Das werden wir noch zeigen“, betont Evi Sachenbacher-Stehle und strahlt dabei wie ein Kind.