Der gefallene Star: Northug geläutert in Strafprozess
Oslo (dpa) - Die Nacht zum 4. Mai 2014 kann für den norwegischen Skilangläufer Petter Northug zur Schicksalsnacht werden. Zusammen mit einem Freund war der 28-Jährige in Trondheim um die Häuser gezogen, hatte getrunken und gefeiert und sich danach dennoch ans Steuer seines Autos gesetzt.
Mit 1,65 Promille Alkohol im Blut raste er viel zu schnell in einen Kreisverkehr und landete schließlich in den Leitplanken. Doch es kam noch schlimmer: Northug beschuldigte auch noch seinen Kumpel, der verletzt auf dem Beifahrersitz saß, gefahren zu sein. Für diese Dummheiten, die er anschließend in Fernseh-Interviews freimütig zugab, kann er an diesem Donnerstag zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden. Welche Folgen das für seine Karriere hätte, hängt vom Strafmaß ab.
Dabei hatten die Norweger immer geglaubt, dass den talentierten Jungen aus Mosvik nichts aufhalten könne. Schon als Junior holte er sechsmal Gold bei Weltmeisterschaften. Seit 2007 gewann er bei Olympischen Winterspielen und Weltmeisterschaften elfmal Gold, viermal Silber und einmal Bronze.
Diese Erfolge veränderten das Leben von Northug. Der einst ruhige und schüchterne Athlet entwickelte sich immer mehr zum bösen Buben, der die Konkurrenz mit teilweise arroganten Verhaltenszügen demütigte. Der passionierte Pokerspieler polarisiert. Die Einen lieben ihn wegen seines unglaublichen Könnens, die Anderen hassen ihn wegen seiner Auftritte. Und Gegner hat er nicht nur im Ausland.
Im Mai vergangenen Jahres stieg Northug aus dem Nationalteam aus und unterschrieb eigene Sponsorenverträge mit hochkarätigen Partnern, die ihm und seinem Team mit mehr als zehn Millionen norwegischen Kronen (1,2 Millionen Euro) jährlich ein gutes Leben ermöglichten.
Doch im vergangenen Winter blieb der goldverwöhnte Langläufer unter den Erwartungen. „Petter war nach einer langen Sommerpause auch noch krank geworden und hatte nicht genug trainiert“, erklärt Jann Post, Langlauf-Kommentator des norwegischen Fernsehens. Danach sei seine Motivation völlig im Keller gewesen. Bei Olympia gab es nicht eine Medaille, er wurde zum Sündenbock. Der Unfall mit Fahrerflucht war die Krönung der Negativspirale.
„Diese gedankenlose Handlung war ein Weckruf für mich“, sagt der 28-Jährige. Seitdem trainiert der Norweger wieder verbissen. „Seine Motivation ist zurück“, sagt Post und ergänzt: „Petter weiß, dass er der Beste sein kann und will es der Welt jetzt zeigen.“ Sein Ziel sind die Weltmeisterschaften Mitte Februar im schwedischen Falun. Doch ob er da antreten kann, hängt vom Urteil der Richter ab.
Norwegische Rechtsexperten schätzen, dass Northug mit 30 bis 120 Tagen Gefängnis rechnen muss. Verkehrsdelikte werden in Norwegen eh schon heftig geahndet, doch noch schwerer wiegt, dass Northug seinen Freund beschuldigt hat, gefahren zu sein. Dreimal hatte er diese Version bei der Polizei von sich gegeben, ehe er die Wahrheit sagte. Da die norwegischen Gefängnisse überfüllt sind, ist es aber auch möglich, dass Northug eine Fußfessel bekommt und einen bestimmten Radius rund um sein Zuhause nicht verlassen darf. In beiden Fällen könnte er nicht trainieren. „Wenn er sechs Wochen Training verliert, hat er keine Chance, bei der WM mitzuhalten“, glaubt Post.
Doch es könne auch sein, dass Northug seine Strafe nach der Saison abbüßen kann, sagte Anwalt Morten Johan Bjønnes dem norwegischen Sender NRK. „Das Gericht ist angehalten, nicht mehr als notwendig für eine Person zu zerstören.“ Zumal Northug nun alle Anklagepunkte zugibt.
„Petter ist mit dem, was er schultern kann, am Limit“, meint der Langlaufexperte Post. Doch er habe die Fähigkeit, alles auszublenden, wenn er trainiert. Northug habe schon früher gezeigt, dass er wirklich durchziehen könne, was er sich vorgenommen habe. „Petters Karriere ist noch lange nicht am Ende.“