Ein stiller Held: Frenzel feiert WM-Titel gefasst
Oslo (dpa) - Verhaltener Jubel, aber tiefgehende Gefühle: Eric Frenzel blieb auch nach dem Gewinn des WM-Titels in der Nordischen Kombination der eher stille Held. In sich gekehrt brauchte er lange, bis er die Bedeutung des Augenblickes realisiert hatte.
Erst Stunden später bei der Medaillenzeremonie in der Innenstadt von Oslo zeigte der 22-Jährige Emotionen. „Ich bin Weltmeister - und das in Oslo. Etwas Größeres gibt es nicht. Auf der Zielgerade ist mein Herz vor Freude gehüpft“, beschrieb Frenzel seine Gefühle.
Kaum zu glauben, dass er zuvor in beiden Teildisziplinen förmlich explodiert war und im Stile eines routinierten Weltklasse-Athleten für das 40. Gold eines deutschen Sportlers bei nordischen Ski-Weltmeisterschaften gesorgt hatte. Tino Edelmann als Zweiter und Johannes Rydzek als Vierter komplettierten das grandiose Abschneiden und rührten Bundestrainer Hermann Weinbuch fast zu Tränen.
Dennoch dachte der Coach in der Stunde des Erfolges laut über einen baldigen Abschied nach. „Um diesen Job erfolgreich auszuüben, musst du unheimlich viel investieren. Das kann ich mit der Verantwortung für die Familie nicht auf Dauer“, sagte der 50-Jährige. Über den neuen Titelträger war Weinbuch voll des Lobes. „Eric ist ein ganz normaler Bursche, bodenständig, trainingsfleißig - ein leicht zu führender Athlet“, charakterisierte er den neuen Stern am deutschen Kombinierer-Himmel.
Vier Jahre nach dem bislang letzten Titel durch Ronny Ackermann und nur zwölf Monate nach dem Olympia-Desaster von Vancouver zeigte der vom Trainerstab eingeleitete Umbruch schnell Erfolge. „Es ist eine junge Mannschaft, die ihren Weg weiter gehen und den Glauben daran behalten muss, dass er erfolgreich ist. Die Medaillen von Oslo geben Selbstvertrauen, aber keiner in der Mannschaft ist mit seiner Entwicklung am oberen Rand angekommen. Es gibt immer etwas zu verbessern“, sagte Weinbuch.
Rückschlüsse für die Team-Entscheidung am Montag ließ er nicht zu. „So was kann man nicht einfach wiederholen. Doch wir können jetzt selbstbewusster auftreten. Eine Erfolgs-Garantie gibt es aber nicht.“ Auch Frenzel bremste die Euphorie: „Man darf die Erwartungen jetzt nicht zu hoch schrauben und sagen, wir haben eine super Chance auf Gold. Es kämpfen fünf Teams um die Medaillen.“
Der Auftritt am Samstag lief für die DSV-Kombinierer perfekt. Erst flog Frenzel zum Schanzenrekord von 109,5 Meter, dann hielt er in der Loipe bei dichtem Nebel und einsetzendem Dauerschneefall die Konkurrenz um die Überläufer Felix Gottwald (Österreich) und Magnus Moan (Norwegen) sicher in Schach. „Richtig daran geglaubt, dass es langen könnte, habe ich erst auf der Zielgerade, als ich niemanden gesehen habe“, erzählte der Oberwiesenthaler.
Er hatte sich von den Trainern überzeugen lassen, beim Springen einen „Risiko-Ski“ zu benutzen. „Das war grenzwertig. Wir sind Alles oder Nichts gegangen. Das hätte auch schiefgehen können“, sagte Weinbuch im Nachhinein.
Bei den schwierigen äußeren Bedingungen hatten auch die Skitechniker großen Anteil am deutschen Doppel-Erfolg. „Sie haben hervorragendes Material gezaubert“, lobte Frenzel. Dann dankte er allen, die den jungen Familienvater unterstützen. „Verein, Familie, Freunde - sie alle halten mir den Rücken frei. Besonders meine Familie muss viele Kompromisse eingehen“, meinte der Sachse.
Er glaubt, dass er durch die frühe Vaterschaft - Sohn Philipp ist vier Jahre alt - schneller reifen musste. „Man wächst mit seinen Aufgaben im Leben. Ich denke schon, dass es mich menschlich vorangebracht hat“, sagte er.
Während Frenzel Kraft und Motivation aus der Familie zieht, könnte diese Weinbuch bald zum Rücktritt bewegen. „Ich habe zwei ganz kleine Kinder, bin fast nie zu Hause. Da bleibt viel auf der Strecke. Ich werde mit dem Skiverband reden, ob es eine andere Lösung gibt“, sagte der 50-Jährige.