Gössner fehlt eine halbe Sekunde zu Bronze

Val di Fiemme (dpa) - Solch ein Rennen hatten selbst die kühnsten Optimisten Miriam Gössner nicht zugetraut. Die Biathletin verblüfft bei der Ski-WM die komplette Langlaufelite, wird dafür aber nicht belohnt.

Erst gefror Gössners Lächeln, dann weinte sie bitterlich. In einem an Dramatik kaum zu überbietenden Langlauf-Krimi verpasste die „ausgeborgte“ Biathletin bei den nordischen Ski-Weltmeisterschaften in Val di Fiemme die erste deutsche Einzelmedaille seit zehn Jahren um die Winzigkeit von 0,5 Sekunden. „Das ist einer der bittersten Momente in meiner Karriere. Eine halbe Sekunde, das ist echt ärgerlich“, stöhnte die 22-Jährige.

Nach minutenlangem Warten und Bangen musste Gössner hilflos mit ansehen, wie die Russin Julia Tschekalewa unter Mobilisierung der letzten Kräfte über die Ziellinie stürzte und der Garmischerin die Bronzemedaille über 10 Kilometer wegschnappte. Überraschende Weltmeisterin wurde Therese Johaug, die ihre norwegische Teamkollegin Marit Björgen entthronte und damit das dritte Gold der Überläuferin bei diesen Titelkämpfen verhinderte. Im Ziel schrie Johaug, die über zehn Sekunden schneller war als die zehnmalige Weltmeisterin, ihre Freude über den Coup heraus.

Wenige Augenblicke zuvor war die gute Stimmung bei Gössner gekippt. Lange Zeit durfte sie auf das erste Edelmetall für eine deutsche Langläuferin seit 2003 hoffen. Damals waren an gleicher Stätte Evi Sachenbacher-Stehle im Skiathlon und Claudia Nystad im Sprint jeweils zu Silber gestürmt.

„Es ist schade, ich habe alles gegeben. Wenn ich hinter der Russin gelaufen wäre, wäre es vielleicht andersherum ausgegangen“, sagte die mit der niedrigeren Startnummer vorneweg laufende Gössner. Eine Viertelstunde lang hatte sie mit vor Aufregung geröteten Wangen in der Leaderbox gesessen und zugeschaut, wie eine nach der anderen der Favoritinnen sich an ihrer Zeit von 25:56,6 Minuten die Zähne ausbiss.

Unter den Blicken der schwedischen Kronprinzessin Victoria, die mit Mann Daniel und Töchterchen Estelle das Rennen verfolgte und auch die Blumenzeremonie im Skistadion am Lago di Tesero vornahm, war die 22-jährige etatmäßige Biathletin von Kilometer zu Kilometer immer schneller geworden. Doch dann kam Tschekalewa und stürzte auch Bundestrainer Frank Ullrich in ein Gefühls-Chaos. „Ich schwanke zwischen schwerer Enttäuschung und einem unglaublichen Glücksgefühl“, bekannte der Chefcoach.

Am Ende überwog die Begeisterung für die furiose Vorstellung der Leihgabe. „Ein Riesenkompliment an Miri. Dafür haben wir sie geholt. Fantastisch, wie sie sich ins Zeug gelegt hat und das Rennen offensiv angegangen ist. Aber so ist die Miri. Sie ist aufgeschlossen, motiviert und kann sich enorm quälen“, lobte Ullrich seine „Teilzeitkraft“ und fügte hinzu: „Ich würde mir mehr solche Mädels wünschen.“

Am Donnerstag bestreitet Gössner noch das Staffelrennen, ehe sie sich direkt im Anschluss auf den Weg nach Oslo machen wird. Dort steht am Freitag ein Biathlon-Weltcup-Sprint auf dem Programm. Nach Norwegen will sie aber keinesfalls mit leeren Händen reisen, weshalb sie im Moment der Enttäuschung bereits zuversichtlich nach vorne blickte. „In der Staffel greifen wir voll an. Da gibt es vom ersten Meter an Vollgas“, kündigte sie einen neuerlichen Angriff auf die Medaillen an.

Gössners unglaublicher Auftritt wirkte für die gesamte Mannschaft wie eine Motivationsspritze. Katrin Zeller aus Oberstdorf, die Elfte wurde, erklärte: „Es ist ein Aufwärtstrend zu sehen und ein gutes Zeichen für die Staffel. Jetzt wollen wir alle noch eine Schippe drauflegen und dort um die Medaille kämpfen.“