Tour de Ski als WM-Aufbautraining für Langläufer
Oberstdorf (dpa) - Frank Ullrich ist zwiegespalten, wenn er an die Tour de Ski denkt.
Zum einen freut sich der erfahrene Langlauf-Bundestrainer auf den ersten Saisonhöhepunkt mit den sieben Etappen innerhalb von neun Tagen. Zum anderen weiß er, dass sein Team den hohen Erwartungen der Öffentlichkeit in Bezug auf vordere Platzierungen zumindest in den Gesamtwertungen nicht gerecht werden kann. Denn Top-Allrounder, wie die Vorjahressieger und Topfavoriten Therese Johaug und Martin Johnsrud Sundby aus Norwegen, hat er nicht in seinen Reihen.
„Unser vorrangiges Ziel ist es, den WM-Kandidaten Wettkampfpraxis zu verschaffen, sie im direkten Aufeinandertreffen mit der Konkurrenz voranzubringen und sie in WM-Form zu bringen. Ich liebäugle schon mit Gesamtplatzierungen in den Top 15, aber Vorrang hat die WM“, sagte der Thüringer, der dennoch vor allem den Damen bei der am Samstag beginnenden Tour de Ski den einen oder anderen Coup zutraut.
„Wenn Nicole Fessel gesund und sturzfrei durchkommt, dann kann sie auch unter die besten Zehn laufen. Das Zeug dazu hat sie, wie ihr zweiter Platz in Davos zeigte. Aber auch Claudia Nystad oder Steffi Böhler können sich richtig in einen Rausch laufen“, bemerkte Ullrich. Er glaubt fest daran, dass bei einzelnen Etappen seine Athleten ganz vorn auftauchen können. „Wir wollen bei bestimmten Tagesabschnitten Akzente setzen. Wie weit es da nach vorn geht, ist nicht vorhersehbar“, sagte der Bundestrainer.
Er hat auf den Etappen in Oberstdorf, Münstertal (Schweiz), Toblach, Val di Fiemme und Alpe Cermis gleich zwei Aufgaben. Die im bisherigen Saisonverlauf bereits auftrumpfenden Damen sollen sich weiter Wettkampfhärte antrainieren und mit Blick auf die WM an ihren individuellen Fähigkeiten feilen. Die Herren und die Sprinter dagegen müssen überhaupt erst einmal zu ihrer Form finden, um möglichst schnell nun die internen WM-Normen zu erfüllen.
„Hannes Dotzler fehlt nach seinen Verletzungs- und Krankheitsausfällen einfach die Wettkampfpraxis. Die kann er bei der Tour bekommen, zumal diese in diesem Jahr eher klassisch-lastig ist und ihm entgegenkommen dürfte. Tim Tscharnke muss an seiner Belastungsverträglichkeit arbeiten, Thomas Bing seine sehr guten Grundlagen nun auch durch das Umsetzen in den Rennen zur Geltung bringen“, erklärte der Trainer.
Er will während der Tour entscheiden, wer bis zum Schlussanstieg auf die Alpe Cermis dabei bleibt und wer vorzeitig abreist um noch Trainingsblöcke einzuschieben. „In jedem Fall werden die Sprinter eher abreisen, da sie eine Woche nach der Tour in Otepää Weltcups bestreiten“, betonte Ullrich.
Die neunte Tour wird demnach in erster Linie eine Tour der Skandinavier. Die jeweils 400 Weltcup-Punkte und 75 000 Euro Preisgeld für die Gesamtsieger werden wohl wieder nach Norwegen gehen. „Mich würde es nicht wundern, wenn die Vorjahressieger diesmal wieder gewinnen. Bei den Herren aber kommen mit Dario Cologna oder Alexander Legkow noch Einzelläufer ins Spiel. Bei den Damen können wohl nur Charlotte Kalla und Justyna Kowalczyk die Übermacht der Norweger brechen“, prognostizierte Ullrich.