Draufgänger gefragt: Skiflug-WM als Mutprobe

Vikersund (dpa) - Die Skiflug-WM auf dem Monster-Bakken von Vikersund wird für die DSV-Adler um Severin Freund und Richard Freitag zu einer Mutprobe. Bei der Jagd nach den Medaillen und dem ersten 250-Meter-Flug der Historie sind auf der größten Schanze der Welt ganze Kerle gefragt.

„Die Athleten werden körperlich und mental maximal gefordert sein. Es braucht eine gewisse Kaltschnäuzigkeit, ja sogar Brutalität, um beim Tanz auf der Rasierklinge ans Limit zu gehen“, sagte Bundestrainer Werner Schuster vor der Qualifikation an diesem Donnerstag.

Die Parameter des wie in Stein gemeißelten Riesenbakkens sind atemberaubend. Der Anlauf beträgt 134 Meter, am 3,65 Meter hohen Schanzentisch heben die Springer mit einer Geschwindigkeit von bis zu 105 Kilometer pro Stunde ab. „Das wird ein harter Brocken“, meinte Freund.

Der 23-Jährige ist dank seiner Top-Ten-Platzierung im Gesamtklassement des Skiflug-Weltcups als einziger DSV-Springer fix für den Einzelwettbewerb über vier Durchgänge am Freitag und Samstag qualifiziert. Entsprechend locker und zuversichtlich gibt sich der Bayer, dass er seine persönliche Bestmarke von 218 Metern verbessern kann. „Ich war noch nie dort und gehe deshalb ganz unbelastet an die Aufgabe heran“, meinte Freund. „Wenn es an die 250 Meter geht, sage ich sicher nicht nein.“

Das wäre Weltrekord. Die aktuelle Bestmarke hält der zu Wochenbeginn zurückgetretene Norweger Johan Remen Evensen, der im Vorjahr unglaubliche 246,5 Meter weit segelte. Norwegens Trainer Alexander Stöckl hält eine Steigerung bei den Titelkämpfen dennoch für möglich. „Aber es braucht optimale Bedingungen und auch den richtigen Fliegertyp“, sagte der Österreicher.

Was diesen ausmacht, erläutert sein Landsmann Schuster. „Mentale Stärke ist immer gefragt, aber es geht darum, den Adrenalinkick aktiv anzusteuern. Man muss den Ski sehr flach führen. Da hat man fast das Gefühl, die Kräfte sind so groß, dass es einem die Schuhe auszieht. Das kann man nicht technisieren. Das ist in letzter Konsequenz eine Herzensangelegenheit“, sagte der Bundestrainer.

Deshalb hat das DSV-Team, dem neben Freund und Freitag noch Andreas Wank, Michael Neumayer und Maximilian Mechler angehören, in der Vorbereitung auf die Hilfe eines Mentaltrainers verzichtet. „Kurzfristig würde das nichts bringen. Man kann das nicht üben, dass man voll auf Zug bleibt und im Zweifel bis zur Ebene springt. Diese Entscheidung muss man in Sekundenbruchteilen selbst fällen“, erklärte Schuster.

Wank, der zu den Draufgängern zählt, hat seine eigene Erfolgstheorie. „Das beste, was man machen kann, ist gar nicht nachzudenken. Das ist das Geheimrezept. Mal sehen, wer es am besten drauf hat“, sagte der 24-Jährige. Da auch Freund und Freitag keine Hemmungen kennen und Neumayer als deutscher Rekordhalter mit 227,5 Metern zu den guten Fliegern gehört, rechnen sich die DSV-Adler vor allem im Teamwettbewerb am Sonntag eine Medaillenchance aus.

Für den auch von Schuster prognostizierten Vorstoß in eine neue Dimension kommen sie dagegen wohl nicht infrage. „Evensen war bei seinem Weltrekordflug fulminant unterwegs. Ich habe das nur im Fernsehen gesehen, und es kam mir schon sehr weit vor. Für 250 Meter muss alles zusammenpassen - der Sprung, die Bedingungen, die Anlauflänge. Ich glaube aber, dass man an einem der vier Tage mal so weit ans Limit gehen kann, dass ein Sportler richtig, richtig weit fliegen wird“, prophezeite Schuster.