Freund vor Tournee gelassen: „Nicht alles kontrollieren“
Frankfurt/Main (dpa) - An die vier Schanzen, die zwischen ihm und seinem großen sportlichen Traum liegen, will Severin Freund an den Feiertagen keinen Gedanken verschwenden.
„Für mich heißt Weihnachten: Gutes Essen, schöne Zeit und nicht viel an Skispringen denken“, sagt der große deutsche Hoffnungsträger bei der 64. Vierschanzentournee. Die kurze Verschnaufpause unterm Weihnachtsbaum kommt dem 27-Jährigen gerade recht, denn von Sonntag an ist es für ihn mit der Ruhe vorbei. Seit dem Grand Slam von Sven Hannawald vor 14 Jahren warten die DSV-Adler und ihre Fans vergeblich auf den 17. deutschen Gesamtsieg der Tourneegeschichte. Freund - der Team-Olympiasieger, Weltmeister und Gesamt-Weltcupsieger - soll dieses Trauma endlich beenden.
Unter Druck setzt er sich deshalb nicht. Die leidvollen Erfahrungen der vergangenen Jahre haben ihn gelehrt, dass man in der Vorbereitung zwar alles penibel planen, im entscheidenden Moment aber ganz schnell die Kontrolle verlieren kann. „Die Tournee ist etwas Besonderes. Durch die Weihnachtspause, die einen Bruch hereinbringt, hast du es nicht selber in der Hand. Du musst es freigeben und hoffen, dass die Form stimmt“, sagt Freund.
Das gelang ihm bisher nie so recht. „Ich habe gelernt, dass man nicht alles kontrollieren kann. Dass man extrem viel geben kann, dass man das Gefühl haben kann, ich bin zehn Schritte weiter, und es geht dann doch schlechter als im Jahr davor“, berichtet er.
Viel wird vom Auftakt in Oberstdorf abhängen, wo er im Vorjahr als 13. bereits alle Chancen einbüßte. Damals hatte Freund im Vorfeld betont, er sei reif für den Gipfelsturm. Dieses Mal hat er sich verbal zurückgehalten und will die Sache unbeschwert angehen. „Es würde mich nicht weiterbringen, mir einen großen Kopf darüber zu machen, dass es die vergangenen Jahre nicht so gut gelaufen ist“, betont der Bayer.
2007/08 war er das erste Mal dabei und wurde in der Gesamtwertung 39. Der Durchbruch gelang vor vier Jahren, als er beim Auftakt Vierter wurde und die Tournee auf Rang sieben beendete. Dies blieb bis heute sein bestes Endresultat, obwohl seine Karriere danach richtig Schwung aufnahm.
„Jedes Jahr macht einen reifer und lässt einen Situationen erleben, aus denen du etwas lernen kannst. Leistungssport funktioniert nur über Erfolg und Misserfolg. Es wird nie nur eines geben. Selbst für mich, der eine recht kontinuierliche Entwicklung genommen hat, gab es immer wieder Hochs und Tiefs“, sagt Freund zu diesem Phänomen. „Man analysiert die Niederlagen, wo man besser werden kann, und guckt auf die Erfolge, wie sie entstanden sind.“
Mittlerweile hat er 20 Weltcupsiege gefeiert und stand in Einzelwettbewerben 43 Mal auf dem Podium. Bei der Tournee schaffte er dies jedoch nur einmal - 2012 wurde er in Oberstdorf Dritter. Ein ähnliches Ergebnis wäre ganz nach dem Geschmack von Bundestrainer Werner Schuster: „Wenn er gut reinkommt, kann er ganz vorn landen.“
Von Alpträumen wird Freund trotz der Negativserie nicht geplagt. „Es wäre wahnsinnig schön, die Tournee zu gewinnen, und ich werde alles dafür tun. Aber ich mache mein Glück nicht davon abhängig. Ich würde nie sagen, meine Karriere ist unvollendet, wenn ich sie nicht gewinne“, stellt er klar. Einzuwenden hätte er gegen einen Triumph auf den berühmten vier Schanzen aber auch nichts.