Skisprung-Spagat zwischen Show und Sicherheit
Oberstdorf (dpa) - Die erstmalige Verschiebung des Auftaktspringens der Vierschanzentournee bescherte Walter Hofer keine schlaflose Nacht.
Und doch plagte den Renndirektor des Internationalen Skiverbandes FIS nach dem fast dreistündigen Geduldsspiel in Oberstdorf ein wenig das schlechte Gewissen. „Wir haben unsere Athleten überstrapaziert“, entschuldigte sich der Österreicher in aller Form bei den genervten Protagonisten.
Der mit 94 Minuten Verspätung gestartete und nach etlichen Unterbrechungen und elf Springern endlich abgebrochene Wettkampf war keine Werbung für den Skisprung. Vielmehr offenbarte er einmal mehr den schwierigen Spagat der populären Sportart zwischen dem Anspruch einer perfekten Show für Millionen Fans und der nötigen Sicherheit für die Athleten. „Das sind nicht die Bilder, die wir unseren Zuschauern präsentieren wollen“, sagte Hofer am Ende eines nervenaufreibenden Tages.
Immerhin: Das späte Einlenken fand breite Zustimmung. „Für den Sport war es die richtige Entscheidung“, sagte Bundestrainer Werner Schuster. „Es war gut und vernünftig, abzubrechen. Sonst hätten wir den einen oder anderen Favoriten für die Tournee verloren. Das wäre schade gewesen, denn es soll ja ein fairer Wettkampf sein“, meinte TV-Experte Martin Schmitt.
Die Salami-Taktik der Jury mit Startverschiebungen im Viertelstundentakt hatte dagegen einige Athleten auf die Palme gebracht. „Das ist der Horror pur“, schimpfte Team-Olympiasieger Marinus Kraus. Er hatte die Wettkampfspannung nicht halten können und bei schwierigen Bedingungen nur mit Mühe einen Sturz vermieden.
„Wir stehen eineinhalb Stunden in höchster Spannung da oben. Wenn der Wind dann grenzwertig ist, kommt auch mal solch ein Sprung wie bei mir heraus“, sagte Kraus. Und Markus Eisenbichler erklärte: „Man hätte schon früher abbrechen können. Aber ich verstehe, dass sie das durchziehen wollten.“
Dass der fast zu späte Abbruch auch dem Diktat des Fernsehens geschuldet gewesen sein könnte, wies Hofer zurück. „Es erleichtert unsere Arbeit, dass die FIS nicht im Besitz der Marketing- und Fernsehrechte ist. Wir treffen Entscheidungen aus rein sportlichen Gesichtspunkten“, versicherte er.
Lediglich auf die Startzeiten nehme das Fernsehen Einfluss. „Natürlich gibt es da im Vorfeld Absprachen“, sagte Hofer. „Aber während des Wettkampfes sind wir unabhängig.“ Dennoch versuchte die Jury, die Veranstaltung in Oberstdorf mit aller Macht durchzuziehen. „Bei 24 000 Leuten an der Schanze ist man verpflichtet, alles zu tun“, benannte Schuster das Dilemma der Verantwortlichen.
Hofer wollte dies nicht bestätigen. „Die Entscheidungen, die wir treffen, basieren auf den Aussagen unserer Experten. Da darf es keinen Unterschied machen, ob 25 000 Leute dort stehen oder 300“, erklärte der FIS-Renndirektor.
Dass die Geduld aller Beteiligten überstrapaziert worden sein könnte, glaubt Hofer nicht. „Ich habe keine einzige Rückmeldung von einem unzufriedenen Zuschauer bekommen“, sagte er und erinnerte an vergangene Zeiten: „1991 gab es 128 Starter in Oberstdorf. Der Wettkampf dauerte vier Stunden und das Fernsehen hat das zusammengeschnitten, was es brauchte.“