Star in zwei Systemen - Skispringer Weißflog feiert 50.
Oberwiesenthal (dpa) - Jens Weißflog ahnte schon, was auf ihn zukommt. Und da er es nicht verhindern kann, macht der einstige Weltklasse-Skispringer aus der Not eine Tugend. „Von 10 bis 17 Uhr kann jeder kommen, der will und muss“, verriet Weißflog den Tagesablauf für seinen 50. Geburtstag.
Abends möchte er mit der Familie, aber auch mit einigen geladenen Gästen das Jubiläum feiern. Der „Floh vom Fichtelberg“, wie Weißflog wegen seiner Körpergröße zu aktiven Zeiten nur genannt wurde, hat sich in den vergangenen Tagen und Wochen intensiv mit seinem halben Jahrhundert Leben beschäftigt. Zum Einen, weil viele Journalisten sich angesichts des Feiertages an ihn erinnerten. Zum Anderen, weil er auf vielfachen Wunsch der Fans die Zeit gekommen sah, seine Memoiren in zwei Büchern herauszubringen. Sein Fazit: „Ich würde nichts anders machen. Das Leben ist nun mal nicht vorherbestimmbar. Also kann man auch im Nachhinein nichts anders machen wollen.“
Der heutige Oberwiesenthaler Hotelier war ein begnadeter Skispringer. Drei Olympiasiege, zwei WM-Titel, vier Gesamtsiege bei der Vierschanzentournee, einmal Weltcupgesamtsieger, 33 Weltcup-Erfolge - Weißflog gewann alles. „Dass ich mal Olympiasieger werde, war nicht geplant. Das entwickelt sich und ist nicht selbstverständlich. Ich war ehrgeizig, aber deshalb nicht automatisch trainingsfleißig“, beschreibt er seine sportliche Entwicklung, die als Nordischer Kombinierer begann. „Die Erfolge dort waren mäßig, ich war ja nur ein guter Springer“, sagt er im Rückblick.
Sein Durchbruch kam mit dem Sieg bei der DDR-Kinder- und Jugendspartakiade 1979. Ein Jahr später stand er als 16-Jähriger in der Nationalmannschaft, mit der er an seiner ersten Vierschanzentournee teilnahm. Dort guckte er sich bei seinen Vorbildern vieles ab, ohne sie zu kopieren. Henry Glaß, Manfred Deckert, Matthias Buse, Klaus Ostwald - sie alle waren in Weißflogs Anfangsjahren Weltmeister. Ihre Leistungen und die Erfahrungen von Trainern wie Reinhard Heß, Joachim Winterlich oder Herbert Neudert machten aus dem Sprungtalent Weißflog einen Star der Szene.
Ein Star, der durch die deutsche Wiedervereinigung in zwei Gesellschafts- und Sportsystemen Olympiasieger wurde. Und noch dazu in zwei Stilarten. „Insofern war Lillehammer 94 schon etwas Besonderes. Nicht nur, dass ich zehn Jahre nach meinem ersten Olympiasieg wieder ganz oben stand, sondern auch noch für ein anderes Land und mit dem V-Stil. In Sarajevo sprang ich ja noch den Parallel-Stil“, berichtet der Jubilar.
Dazwischen gab es herbe Rückschläge. „Da denkt man, es geht nicht mehr weiter. Es fehlte eine helfende Hand, jemand, der nicht bedauerte oder kritisierte, sondern aufmunterte“, erzählt Weißflog und nennt als Tiefpunkt Olympia 1988 in Calgary. Dort gab es für ihn nichts zu holen. DDR-Sportchef Manfred Ewald beorderte Weißflog daraufhin beim Rückflug in die letzte Reihe und auch beim Empfang der Olympia-Mannschaft auf dem Flughafen in Berlin musste er den hinteren Ausgang nehmen.
All das ist Geschichte. Heute beobachtet und genießt der Familienvater seinen Sport aus der Ferne. Um Rat wird er kaum gefragt. Auch seine Zeit als Fernseh-Experte ist vorbei. Dafür kümmert er sich um den Nachwuchs, ist als Kurator das Gesicht der Sporthilfe Sachsen. Seinen Nachfolgern um Severin Freund und Richard Freitag bescheinigt er große Möglichkeiten, weiß aber auch, dass nun große Einzelsiege kommen müssen. „Skispringen ist nun mal keine Mannschaftssportart. In der Öffentlichkeit bleibt nur der Erfolg des Einzelnen haften.“