Steuer: „Wir sind die Jäger in der Höhle des Löwen“
Berlin (dpa) - Trainer Ingo Steuer will mit den Paarläufern Aljona Savchenko und Robin Szolkowy die Goldmedaille bei den Winterspielen gewinnen. Die Chemnitzer sind schlecht in die Saison gestartet, haben beim Grand-Prix-Finale aber die vermeintlich übermächtigen russischen Konkurrenten geschlagen.
Den dreifachen Wurfaxel ließen sie weg, in Sotschi will Steuer den Risiko-Wurf aber einsetzen. „Es ist ein Risiko, aber wir sind die Jäger in der Höhle des Löwen“, sagte Steuer im Interview der Nachrichtenagentur dpa.
Nach Platz sechs in Turin und Bronze in Vancouver wollen Sie mit Savchenko/Szolkowy in Sotschi Gold holen. Wie schwer wird es?
Steuer:„Sehr schwer. Das wird ein Mega-Event. Paarlauf soll die sicherste Goldmedaille für die Russen bei ihren Heimspielen werden. Wir sind die Jäger in der Höhle des Löwen. Aber da kennen wir uns inzwischen gut aus. Es ist schon gut, wenn man merkt, dass viele Steine im Weg liegen. Eine freie Straße ist nicht so gut. Wir brauchen Steine, die wir wegräumen müssen.“
Was hat sich verändert zu den letzten zwei Olympia-Starts?
Steuer:„Wir gehen nicht als Weltmeister nach Sotschi. Nach dem zweiten WM-Platz im Vorjahr sind wir jetzt befreiter. Nun haben Maxim Trankow und Tatjana Wolososchar den Druck. Ich habe schon so oft erlebt in meiner Karriere, wie Favoriten bei Olympia gestrauchelt sind. So wie der viermalige Weltmeister Kurt Browning, der es nicht zu einer Medaille bei den Spielen brachte. Bei Olympia herrschen andere Gesetze.“
Hat sich seit dem Grand-Prix-Finale, bei dem Ihr Paar überraschend die Russen geschlagen hat, etwas verändert?
Steuer:„Nein, aber wir haben im entscheidenden Moment vor Sotschi gezeigt, dass die Champions schlagbar sind. Dabei waren wir erst bei 75 Prozent. Wenn sie fehlerfrei gewesen wären, hätten sie gewonnen. Aber sie haben ein Eigentor geschossen mit ihren Fehlern. Das war nicht zu erwarten.“
Nach einem schweren Sturz von Savchenko in Moskau haben Sie den dreifachen Wurfaxel beim Finale nicht gezeigt und trotzdem gewonnen. Werden Sie ihn bei der EM im Januar in Budapest und dann bei Olympia riskieren?
Steuer:„Die Europameisterschaft soll Training sein. Wir werden vorher noch für das Kurzprogramm an der Verbindung der Elemente feilen. Ob wir den Axel zeigen, entscheiden wir dort. Für Sotschi ist er geplant. Wir bringen den, das ist die Strategie.“
Was wird am Ende den Ausschlag über Olympia-Gold geben?
Steuer:„Wir müssen uns auf uns konzentrieren. Wenn wir ohne Fehler laufen und hinten heraus in der Kür den Wurfaxel stehen, werden wir gewinnen. Da können Tanja und Maxim auch fehlerfrei laufen. Die Russen haben ein besseres Kurzprogramm, unsere Kür ist dagegen hochwertiger. Es ist toll, dass es so ein Duell geben wird.“
Den erstmals ausgetragenen Teamwettbewerb wird Ihr Paar nicht laufen. Im Gegensatz zu anderen Sportarten, in denen die Staffeln am Ende sind, findet der neue Wettkampf vor den Einzeldisziplinen statt. Was halten Sie davon?
Steuer:„Ich finde es gut, dass der Wettbewerb ins Leben gerufen wurde, aber der Zeitpunkt ist nicht gut. Am Ende wäre es ein krönender Abschluss. Wir wollen uns voll und ganz auf unsere Disziplin konzentrieren. Die Körner dort rauslassen, wo wir sie brauchen. Vielleicht wäre es sonst genau das, was fehlen würde. Hinzu kommt, dass wir als Team Null Chance auf eine Medaille haben.“
Dass Ihr Duo noch die WM im März in Japan laufen wird, ist eher unwahrscheinlich. In jedem Fall sind Sie am 1. April ein Trainer ohne Top-Paar. Savchenko/Szolkowy werden höchstens noch Shows laufen. Wie schwer wird das für Sie?
Steuer:„Der Abschied berührt mich ziemlich, manchmal kommt schon Wehmut auf. Wir werden uns nach den Spielen zusammensetzen und gucken, wie es weitergeht. Wir sind als Team gewachsen. Ob man auf die eine oder andere Art weiterarbeitet - es wäre schön. Ich bin auch bestrebt, etwas Neues zu kreieren. Bisher habe ich alle Angebote, auch von Einzelsportlern und aus dem Ausland, ausgeschlagen. Vielleicht brauche ich erst einmal eine Pause, 13 bis 14 Jahre auf hohem Niveau sind anstrengend.“
Wird es irgendwann eine Möglichkeit geben, dass die Deutsche Eislauf-Union Sie trotz Ihrer Stasi-Vergangenheit bezahlen darf?
Steuer:„Ich hoffe jederzeit auf eine Lösung, der dem Sport dienlich ist. Die DEU würde sich auch freuen, wenn es eine Lösung gäbe und ich so behandelt werden könnte wie jeder andere Trainer.“