Versorgung in Neuss Neusser Tafel besorgt um ihre Kunden
Neuss · Wegen Corona kommen immer weniger Bedürftige in die Einrichtung.
Es gibt Heizpilze und eine warme Suppe, um so die Wartezeit in der Kälte auszuhalten. Dennoch: Die Neusser Tafel hat aktuell so wenige Kunden wie schon lange nicht mehr. Und das trotz der drastischen Steigerung der Lebensmittelpreise. Doch Rebecca Schuh, Vorsitzende des Tafel-Vereins, kennt den Grund: Corona. „Die Leute haben Angst, sich in den Bus oder die Bahn zu setzen. Sie wollen sich nicht anstecken“, erzählt sie. Dabei weiß sie nur zu genau, dass die meisten ohne Unterstützung der Tafel kaum über die Runden kommen, jedenfalls nicht über einen längeren Zeitraum.
„Hatten wir sonst während unserer Öffnungszeiten montags, mittwochs und freitags von 14.30 bis 16.30 Uhr ungefähr 300 Männer und Frauen, die wir bedient haben, sind es seit Anfang Januar mal gerade 100 pro Tag“, sagt Schuh. Sie weiß, dass aber auch die anderen Tafeln in den Nachbarstädten mit zu wenigen statt mit zu vielen Kunden zu kämpfen haben. Im Dezember, so Schuh, seien noch gewohnt viele gekommen. Sie vermutet wegen verschiedener besonderer Aktionen vor Weihnachten, wie zum Beispiel den Gutscheinen für Schuhe, die verteilt wurden.
Die Sorge treibt Schuh und ihre 35 Helfer um, und so hätten sie bereits angefangen, sich mit denen, die sie schon seit Wochen nicht gesehen haben, in Verbindung zu setzen. „Die, die sich zurückgemeldet haben, sprechen von der aktuell zu großen Gefahr, sich mit Corona anzustecken. Manche werden allerdings auch nicht geimpft sein“, vermutet Schuh. Dann nämlich dürfen sie nicht an die Düsseldorfer Straße kommen beziehungsweise werden noch einmal bedient – allerdings mit dem Hinweis, bei der Tafel gelte 2G. „Darauf muss ich bestehen, schließlich sind die meisten Ehrenamtlichen hier älter als 65 Jahre“, sagt Rebecca Schuh.
Tafel-Vorsitzende: „Nicht-Sesshafte haben keine Lobby.“
Sie denkt in diesem Tagen wieder über die Einrichtung eines Fahrdienstes nach, um die Lebensmittel zu bedürftigen Menschen zu bringen. „Aber dazu brauche ich junge Leute, die das übernehmen, und das ist schwierig.“ Die Lebensmittel, die die Tafel zurzeit übrig hat, werden in Jugendeinrichtungen gebracht oder zu den benachbarten Tafeln, wenn dort Bedarf besteht. Freitagsabends geht immer eine Fuhre zur Hin- und Herberge am Derendorfer Weg. „Dorthin nehmen wir auch Sachen aus unserer Kleiderkammer mit, oft ganz gezielt, wenn wir wissen, was benötigt wird“, sagt Schuh. Auch die Suppenküche der St. Augustinus Gruppe wird beliefert.
Dass viele Obdachlose, die eher nicht den Weg an die Düsseldorfer Straße finden, um sich dort Lebensmittel zu holen, auch bei den kühlen Temperaturen draußen schlafen, findet sie „fatal“. „Viele gehen nicht in städtische Einrichtungen, weil sie Angst vor Übergriffen haben, ihre Hunde nicht mitbringen können oder einfach nicht in der Lage sind, sich Reglements zu unterwerfen“, sagt die Tafelvorsitzende. Sie ist der Ansicht, dass dringend Streetworker nötig wären, die sich um die Obdachlosen kümmern. „Es ist ein Trauerspiel“, meint Rebecca Schuh, „aber Nicht-Sesshafte haben keine Lobby.“