AfD-Ergebnisse verschärfen Unionsstreit über Flüchtlinge
Berlin (dpa) - Das CDU-Wahldebakel vom Sonntag und der Druck durch die rechtspopulistische AfD haben den Grundsatzstreit der Union in der Flüchtlingskrise neu angefacht.
Nach dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer verlangte auch die Vorsitzende der Christsozialen im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, ein Stoppsignal für Flüchtlinge von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Seehofer legte mit seiner Kritik an Berlin noch einmal nach. Führende CDU-Politiker aus Bund und Ländern forderten den bayerischen Regierungschef indes zur Mäßigung und die Unionsparteien zu mehr Geschlossenheit auf.
So wies Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) Seehofers Forderung nach einem Kurswechsel der Regierung in der Flüchtlingspolitik und nach nationalen Grenzkontrollen zurück. „Es bleibt dabei, dass die Bundesregierung eine europäische Lösung sucht - weil wir in Griechenland sehen, dass nationale Maßnahmen nicht zum gewünschten Erfolg und zu untragbaren Zuständen an den Grenzen führen können“, sagte er in Berlin. Kauder zeigte sich verärgert, dass Union und SPD nicht stärker ihre Gemeinsamkeiten und Leistungen herausstellten. Stattdessen werde erzählt, was noch nicht erledigt sei. „Dass wir ein gemeinsames Ziel haben, geht leider unter.“
Seehofer verteidigte seinen Merkel-kritischen Kurs: Für schlechte Wahlergebnisse seien nicht „diejenigen verantwortlich, die auf den Fehler hinweisen, sondern diejenigen, die den Fehler gemacht haben“, betonte der Ministerpräsident nach einer Kabinettssitzung. Am Vorabend hatte Seehofer in der ARD mit Blick auf die schweren CDU-Verluste in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt gesagt: „Dieses Wahlergebnis hat eine ganz zentrale Ursache, das ist die Verunsicherung der Bevölkerung durch die Zuwanderungspolitik von Berlin. Und wir können die AfD am leichtesten überflüssig machen, wenn wir diese Politik verändern und die Bevölkerung ernst nehmen mit ihrem Anliegen.“
Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer mahnte, CDU und CSU seien immer dann am erfolgreichsten gewesen, wenn sie gemeinschaftlich Politik gemacht hätten. Dies sei jetzt erkennbar schwierig. Die Union müsse die zweistelligen Ergebnisse der Alternative für Deutschland (AfD) als Denkzettel begreifen. Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) meinte, das Wahlergebnis sei „ein Ausdruck davon, wie unzufrieden die Menschen mit der Uneinigkeit innerhalb der Regierung und besonders auch zwischen CDU und CSU sind“.
Die CSU-Politikerin Hasselfeldt betonte, in der Flüchtlingskrise sei eine klare Botschaft an die Herkunftsstaaten nötig, dass Europa und insbesondere Deutschland nicht alle Probleme der Welt lösen könne. „Gerade das Wahlergebnis zeigt uns, es ist Handlungsbedarf dringender denn je erforderlich.“ Die Lage für die etablierten Parteien und besonders auch für die konservativen Parteien sei „eine sehr, sehr ernste“. Hasselfeldt gilt eigentlich als Vermittlerin zwischen Merkel und Seehofer. SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Seehofer vor, Merkel angesichts der EU-Türkei-Verhandlungen in den Rücken zu fallen.
Für zusätzlichen Streit in der großen Koalition sorgt der SPD-Wunsch nach einem „Solidarprojekt“. Die Sozialdemokraten reagierten verärgert auf Äußerungen des CDU-Politikers Jens Spahn, der die Forderung scharf zurückgewiesen hatte. „Wer die Probleme von Rentnern mit Mini-Renten, Alleinerziehenden und jungen Familien als „gaga“ abtut, handelt respektlos“, sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Es sei „ärgerlich, dass sich die CDU einer wichtigen Diskussion über soziale Ungleichheit in Deutschland nicht stellt“.
Ohne die von der SPD verlangte Unterstützung einheimischer Bedürftiger parallel zur Flüchtlingshilfe drohe eine Spaltung der Gesellschaft, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Die Koalition müsse hier dringend entgegenwirken. Dabei gehe es unter anderem um eine Begrenzung von Leiharbeit und Werkverträgen, eine Solidarrente für Geringverdiener, ein modernes Teilhabegesetz für Menschen mit Behinderungen oder aber die Erbschaftssteuer. Eine Einigung auf die Eckpunkte für den nächsten Haushalt werde es mit der SPD nur geben, wenn es auch eine Verständigung auf diese Solidarprojekte gebe. Oppermann: „Die Landtagswahlen sind vorbei. Jetzt müssen wir uns wieder aufs Regieren konzentrieren.“