Analyse: Ägypten-Unruhen machen die Märkte nervös
Frankfurt/Main (dpa) - Erst die „Jasmin-Revolution“ in Tunesien, nun die Unruhen in Ägypten: Die angespannte Lage in der arabischen Welt treibt Investoren Sorgenfalten auf die Stirn und bremst die Kurse an den wichtigsten Märkten - trotz ermutigender Konjunktur- und Unternehmensdaten.
Sorgen vor einer Ausbreitung der Proteste trieben am Montag zugleich die Ölpreise in die Höhe. Öl aus der Nordsee sprang erstmals seit Herbst 2008 über die Marke von 100 Dollar je Barrel (je 159 Liter). Verbraucher befürchten als Folge einen weiteren Anstieg der Benzinpreise. Ökonomen sorgen sich um den Wirtschaftsaufschwung, der gebremst werden könnte, hält der Auftrieb des Ölpreises an.
Ägypten ist selbst zwar kein großes Ölförderland, durch den Suez- Kanal werden aber schätzungsweise eine Million Barrel Rohöl aus der Golfregion in Richtung Mittelmeer transportiert. An den Märkten wächst die Furcht vor einem Flächenbrand in der arabischen Welt, der zu einer Verknappung beim Öl führen könnte. Die Ölpreise stiegen am Montag kräftig: Der Preis für ein Barrel Rohöl der Nordseesorte Brent übersprang die 100-Dollar-Marke. Am späten Nachmittag kostete ein Barrel 100,78 Dollar, 1,35 Dollar mehr als zum Handelsschluss am Freitag. Auch der wichtigste Ölpreis, an dem sich die Märkte weltweit ausrichten, legte zu: Der Preis für ein Fass der US-Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI) stieg um 1,77 Dollar auf 91,09 Dollar.
Händler erklärten, es werde ein Übergreifen der Unruhen auf andere Länder in Afrika oder im Nahen Osten befürchtet und damit eine Destabilisierung der gesamten Region, in der viele wichtige Ölproduzenten ansässig seien. Die Rohstoff-Experten der Commerzbank betonten, dass Ägypten selbst ein „wichtiges Transitland für den weltweiten Ölhandel“ sei.
Die Aktienmärkte starteten in den Tag mit hohen Verlusten. Die japanische Börse mit ihrem Nikkei-Leitindex für 225 führende Werte verlor am Montag mehr als ein Prozent. Die Börsen in Frankfurt, London und Paris gerieten ebenfalls ins Minus. Am Nachmittag machte die Wall Street aufgrund positiver Unternehmens- und Konjunkturdaten in den USA - so legte ExxonMobil gute Zahlen vor - einiges an Verlusten wett und wechselte im frühen Handel leicht ins Plus. Als Folge schloss der Deutsche Aktienindex (DAX) nur leicht im Minus, auch die übrigen europäischen Märkte begrenzten ihre Verluste.
In Kairo blieb der Aktienmarkt geschlossen, nachdem die Kurse dort in der vergangenen Woche rapide in den Keller gestürzt waren. Allein am Donnerstag büßte der ägyptische Leitindex EGX30 nahezu elf Prozent ein.
„Nordafrika ist zu einer Brutstätte sozialer Unruhen geworden“, sagte Marktanalyst David Buik von BGC Partners in London. Ägypten gleiche einem „brodelnden Vulkan“, die Entwicklung sei entmutigend. „Das Fatale an einer solchen Krise ist, dass man sie nicht sauber einschätzen kann“, im Gegensatz zu Unternehmensergebnissen oder konjunkturellen fundamentalen Daten, erklärte Marktstratege Robert Halver von der Baader Bank. „Solche Unsicherheiten hasst die Börse.“
Wie sich die Unruhen in Nordafrika konkret auf einzelne Aktien auswirken können, zeigen die Papiere des Autozulieferers Leoni. Sie gaben am Montag zeitweise um mehr als fünf Prozent nach. Am Schluss verloren die Aktien 3,35 Prozent auf 31,335 Euro. Händler begründeten das damit, dass der Konzern dort Produktionsstätten unterhält. Händler begründeten das damit, dass der Konzern Produktionsstätten in Ägypten und Tunesien unterhält.
Automobilwerte gehörten zum Wochenauftakt zu den größten Verlierern, die Papiere von Daimler führten die schwache Branche an der Frankfurter Börse mit einem Minus von 2,52 Prozent auf 53,42 Euro an. In Mailand traf es Fiat, in Paris PSA Peugeot Citroën und Renault. Die Anleger fürchteten, dass die Unruhen in Ägypten den globalen Welthandel in Mitleidenschaft ziehen könnten, sagte Jürgen Pieper, Analyst beim Bankhaus Metzler.
Auch Vertreter von Konzernen anderer Branchen zeigten sich besorgt ob der Lage am Nil. Der Energiekonzern RWE, der in Ägypten mehrere Förderprojekte für Öl und Gas hat, richtete nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ ein Krisenbüro ein. Insgesamt soll das Unternehmen in dem Land rund 4000 Menschen beschäftigen. Die Öl- und Gasfördertochter RWE/Dea flog 90 Mitarbeiter aus. Die Produktion arbeite aber weiter, erklärte eine Sprecherin. RWE-Chef Jürgen =Großmann äußerte sich besorgt über die Situation. „Das hat uns alle überrascht“. Einen Rückzug aus dem Land schloss er aus, es handele sich um ein langfristiges Engagement.