Analyse: Alles auf Null in NRW
Düsseldorf (dpa) - Die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen ist Geschichte. Erstmals hat sich ein NRW-Landtag aufgelöst. Parlamentarier sind jetzt Ex-Abgeordnete.
Unsicherheit geht um, weil das bevölkerungsreichste Bundesland kein verabschiedetes Haushaltsgesetz für 2012 hat - und auch auf lange Zeit keines haben wird. „Bis wir wieder einen Haushalt bekommen werden, dauert es sicher bis in den Herbst“, prognostiziert die Sprecherin des Finanzministeriums, Ingrid Herden.
„Alles auf Null“, so heißt es jetzt im politischen Nordrhein-Westfalen. Alle geplanten Reformen liegen zunächst auf Eis. Gesetzesvorhaben und Untersuchungsausschüsse sind gestoppt. Das Parlament leert sich, Sitzungen gibt es nicht mehr. Besucher bekommen derzeit nicht viel mehr als das Gebäude zu sehen.
Bis die landespolitische Arbeit reaktiviert werden kann, werden Monate vergehen. Kindergärten müssen ebenso wie Hochschulen auf die versprochenen Verbesserungen warten. Das Gleiche gilt für den Nichtraucher- und den Klimaschutz, die Ladenschlusszeiten und die umstrittene Neuregelung der Prüfungspflichten für private Abwasserrohre.
Sollte Rot-Grün entgegen den Umfragewerten nicht weiterregieren können, droht den Bürgern innerhalb von nur zwei Jahren eine neue Rolle rückwärts. Die CDU würde die von Rot-Grün abgeschafften Gebühren für das Studium und für das dritte Kindergartenjahr gerne wieder einführen.
Alle noch nicht verabschiedeten Gesetzentwürfe müssten in der neuen Legislaturperiode neu eingebracht werden. Auch die Untersuchungsausschüsse um Korruptionsverdacht beim landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetrieb sowie zur Informationspanne der Landesregierung im Zusammenhang mit Jülicher Atomkugeln müssten neu aufgelegt werden.
Zur Zeit gilt eine vorläufige Haushaltsführung. „Gesetzliche Verpflichtungen wie die Bezahlung des Personals laufen natürlich weiter“, erklärt Ministeriumssprecherin Herden. Was noch 2011 bewilligt wurde, kann ebenfalls fortlaufen. Auf geplante Rekordzuweisungen aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz müssen die darbenden Kommunen allerdings warten.
NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) bedauert den Stillstand für das Nichtraucherschutzgesetz. Rot-Grün will das nach der Wahl aber auf jeden Fall wieder auf den Tisch bringen. Andere Aufgaben würden schon jetzt „mit Nachdruck weiter bearbeitet“, versichert sie. Dazu zählten Krankenhausplanung und Gesundheitsversorgung und die Weiterentwicklung eines demografiefesten Pflegesystems.
Die Schulpolitik profitiert von der Einigung zwischen den Koalitionsfraktionen und der CDU. „Der Schulkonsens überdauert die Legislaturperiode“, unterstreicht CDU-Landeschef Norbert Röttgen. Die Sekundarschulen sind ungefährdet. Auch die Vorbereitungen für den islamischen Religionsunterricht laufen „ganz normal und geordnet“, versichert eine Ministeriumssprecherin. Ein im Landesrecht verankerter Anspruch auf gemeinsames Lernen von behinderten und nicht behinderten Schülern muss hingegen warten.
Für viele Parlamentarier und ihre Mitarbeiter stellt sich nun ganz plötzlich die Frage nach der beruflichen Zukunft. Dies gilt gleichermaßen für die Minister und ihr Team. Keiner weiß sicher, wie es weitergeht. Nur der bisherige Landtagspräsident Eckhard Uhlenberg hat sich schon entschieden, dass er gerne noch eine Amtszeit vollenden würde. Das Vorschlagsrecht für das höchste Amt hat allerdings die stärkste Fraktion. Uhlenberg muss also auf einen Wahlsieg der CDU setzen.