Analyse: Ein Jahr mit unerwarteten Hürden für Merkel
Berlin (dpa) - Wäre es gekommen wie gedacht, hätte es für Angela Merkel ein relativ normales Jahr werden können. So normal, wie es für die deutsche Kanzlerin in der Euro-Dauerkrise eben sein kann.
Doch statt nur einer Landtagswahl stehen 2012 plötzlich drei an.
Schon an diesem Sonntag wird zudem außerplanmäßig ein neues Staatsoberhaupt gekürt. Und alles hat Folgewirkungen auf Merkels schwarz-gelbe Koalition und die Ausgangslage für die Wahl im Bund 2013. Auch in Europa ist die Entwicklung schwer zu kalkulieren - Monate mit Chancen und Risiken.
18. MÄRZ - BUNDESPRÄSIDENTENWAHL: Der Wechsel im Schloss Bellevue gilt nicht mehr als problematisch. Dass „ihr“ Präsident Christian Wulff abtreten musste, hängt Merkel öffentlich nicht groß nach. Joachim Gauck, den die FDP gemeinsam mit SPD und Grünen gegen ihren Willen durchsetzte, trägt die Kanzlerin nun mit - „keineswegs zähneknirschend“, wie es in ihrer Umgebung heißt. Sie schätze Gauck und setze auf vertrauensvolle Zusammenarbeit. Auch wenn sich noch zeigen muss, wie sich der Ex-Pastor im harten Politgeschäft schlägt. Doch wie schwer wiegt der Koalitionskrach bei der Gauck-Kür? Ob das Vertrauen zu FDP-Chef Philipp Rösler dauerhaft beschädigt ist, wird sich in nächsten kniffligen Fragen erweisen.
25. MÄRZ - WAHL AN DER SAAR: Schon die erste Landtagswahl 2012 dürfte für Merkel zur Zitterpartie werden. Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte die einzige Jamaika-Koalition mit Liberalen und Grünen wegen FDP-Querelen überraschend aufgekündigt - zum Groll der Liberalen ausgerechnet zum FDP-Dreikönigstreffen. Umfragen sehen CDU und SPD Kopf an Kopf - mit hauchdünnem Vorsprung der Sozialdemokraten. Für beide wäre eine große Koalition drin. Doch verliert die CDU durch den Neuwahlcoup eine Ministerpräsidentin?
6. MAI - SCHLESWIG-HOLSTEIN WÄHLT: Der schwarz-gelben Regierung in Kiel droht das Ende. In Umfragen liegt die FDP bei zwei Prozent, die CDU liebäugelt schon mit den Grünen. Doch die sehen die SPD als ersten Ansprechpartner. Deren Spitzen dürften einen rot-grünen Wahlsieg zum Signal für Berlin ausrufen. Fliegen die Liberalen erst an der Saar und dann auch im Norden aus dem Landtag, dürfte das Rumoren um Parteichef Rösler immer lauter werden.
6. ODER 13. MAI - WAHL IN NRW: Die Wahl im bevölkerungsreichsten Bundesland wird deutliche Signale nach Berlin senden - auch wenn Merkels Maxime lautet: „Die Arbeit auf der Bundesebene ist völlig unabhängig von der Arbeit in den Ländern.“ Scheitert die FDP auch hier, dürfte Rösler kaum noch zu halten sein. Schafft CDU-Spitzenmann Norbert Röttgen eine schwarz-grüne Regierung, könnte das neue Koalitionsoptionen auch im Bund bedeuten. Dass Merkel wie einst SPD-Kanzler Gerhard Schröder nach einem NRW-Schock in eine vorgezogene Bundestagswahl flüchten könnte, gilt als ausgeschlossen.
NACH DEN WAHLEN - MERKELS KABINETT: Scheitert Rösler als FDP-Chef, dürfte das Merkels Kabinett durcheinanderwirbeln. Dann müsste wohl ein neuer Wirtschaftsminister und Vizekanzler her. Auch Röttgen könnte ihr als Umweltminister abhandenkommen - wenn er in NRW Ministerpräsident würde. Ausgerechnet die beiden wichtigsten Ressorts für das Großthema Energiewende müsste Merkel umbesetzen. Andererseits könnten neue Gesichter auf der Regierungsbank auch eine Chance für die nahende Bundestagswahl sein.
22. APRIL UND 6. MAI - WAHL IN FRANKREICH: Merkel macht keinen Hehl daraus, wie wichtig ihr die Präsidentenwahl in Frankreich ist. Ihrem Parteifreund Nicolas Sarkozy will die CDU-Chefin im Wahlkampf zur Seite stehen. Doch dessen Siegeschancen sind unsicher. Merkel könnte ihr wichtigster Partner in der Euro-Schuldenkrise verloren gehen. Die Achse Berlin-Paris könnte mit dem Sozialisten François Hollande eine Unwucht bekommen, weil er bei Merkels striktem Stabilitätskurs Vorbehalte hat. Andererseits könne sich auch Paris europapolitischen Realitäten nicht entziehen, gibt man sich in Berlin entspannt.
25. MAI - BUNDESTAGSABSTIMMUNG ZUM FISKALPAKT: Als Krisenmanagerin fährt die Kanzlerin glänzende Umfragewerte für sich selbst und ihre Partei ein. Wenn der von ihr angestoßene Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin durch den Bundestag muss, ist sie aber auf die Opposition angewiesen. Nötig ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit. SPD und Grüne bauen Druck auf und verlangen eine Finanztransaktionssteuer notfalls nur in der Eurozone. Das könnte einen Keil in die Koalition treiben, weil die FDP damit große Schwierigkeiten hat. Noch sei aber Zeit für Gespräche, heißt es von Regierungsseite. Und auch die Opposition stehe in Verantwortung für Europa.