Analyse: Als Präsidentschaftskandidat vor dem Aus

Paris (dpa) - Wer hat die größten Chancen, gegen Nicolas Sarkozy die Präsidentschaftswahlen 2012 zu gewinnen? Auf diese Frage gab es für Meinungsforscher in Frankreich in den vergangenen Wochen nur eine Antwort: Dominique Strauss-Kahn.

Der 62-Jährige führte bis zu diesem Sonntag in allen Umfragen, obwohl er offiziell noch nicht einmal Kandidat war. Selbst die jüngst aufgekommene „Luxus-Affäre“ ließ die Zustimmungswerte des Sozialisten kaum sinken. „Eines Tages werde ich Präsident sein“, soll er bereits 1983 bei einer Ordensverleihung im Pariser Elyséepalast gesagt haben.

Dieser Traum droht nun zu platzen. Der Vorwurf der versuchten Vergewaltigung aus New York dürfte den IWF-Direktor so schwer beschädigen, dass eine Kandidatur für das höchste Staatsamt ausgeschlossen scheint - egal ob am Ende des juristischen Verfahrens eine Verurteilung steht oder nicht. „Ich denke nicht, dass er Kandidat sein sollte“, kommentierte bereits kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe ein ehemaliger Berater des ersten und bislang einzigen sozialistischen Präsidenten François Mitterrand (Amtszeit 1981-1995).

Strauss-Kahns Parteifreunde geben sich nach anfänglicher Schockstarre fassungslos und wortkarg, zumindest nach außen hin. Von „vollkommen verdutzt“ (PS-Chefin Martine Aubry), über „schockiert“ (Ex-Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal) bis hin zu „schrecklicher Nachricht“ (Ex-Parteichef François Hollande) reichten die Kommentare der Parteigrößen am Sonntag. Meistens gab es zudem nur noch die Erinnerung daran, dass die Unschuldsvermutung gelte. „Ich fordere die Sozialisten auf, geeint zu bleiben“, fügte Aubry hinzu.

Nicht alle dürften aber allzu enttäuscht sein, dass der in Frankreich DSK genannte IFW-Chef in einer Zelle und nicht im Flugzeug Richtung Europa saß. Sowohl Ségolène Royal als auch François Hollande machen sich ebenfalls Hoffnungen auf die Präsidentschaftskandidatur für die Schwesterpartei der deutschen SPD und werden bei den für Sommer geplanten parteiinternen Vorwahlen antreten. Mit DSK könnte nun der Anwärter mit den größten Erfolgsaussichten aus dem Rennen sein.

Die ersten Lichtblicke im Kampf mit den bislang unschlagbar wirkenden Kontrahenten hatten die DSK-Gegner bereits in den vergangenen Tagen gesehen. In der Presse tauchten Fotos vom IWF-Chef auf, wie er in Paris in den Porsche eines Freundes stieg. Später berichtete ein Blatt, DSK würde bei einem Edelschneider in Washington Anzüge für 7000 bis 35 000 Dollar bestellen. Wieder einmal machte das Schimpfwort „Kaviar-Linker“ die Runde. Anhänger von François Hollande merkten süffisant an, ihr Kandidat fahre Motorroller. Am Sonntag gab es neue Details, die Zweifel an DSKs „sozialistischem Lebensstil“ weckten. Das New Yorker Hotelzimmer, in dem er die 32-jährige Angestellte sexuell belästigt haben soll, sei eine Suite für 3000 Dollar die Nacht gewesen, berichteten US-Medien.

Für das Regierungslager von Präsident Nicolas Sarkozy sind die jüngsten Ereignisse hingegen kein echter Grund zu feiern. Selbst wenn die Sozialisten Hollande ins Rennen schicken würden, müsste der amtierende Staatschef um seine Wiederwahl bangen. Einer am Sonntag im „Journal du Dimanche“ veröffentlichten Umfrage zufolge, käme Sarkozy derzeit nicht einmal in die Stichwahl. Dort würde Hollande gegen die Parteichefin der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, antreten.