Analyse: Aschermittwochs-Zeitreise bei der CSU
Passau (dpa) - Horst Seehofer will die CSU in die Zukunft führen - doch beim politischen Aschermittwoch in Passau begibt sich die Partei auf Zeitreise in die Vergangenheit. Fünf Jahre nach seinem Sturz kehrt der frühere Parteichef Edmund Stoiber als Redner an den Ort seiner größten Triumphe zurück.
Die geschätzt mehr als 4000 Zuschauer in der Halle sind begeistert. Die ersten „Edmund, Edmund“-Sprechchöre erschallen, noch bevor Stoiber ein Wort gesagt hat. „Wir begrüßen den Mr. Aschermittwoch“, sagt der heutige Vorsitzende Seehofer - „unseren Edmund Stoiber“. Doch manche in der Parteispitze halten die Retro-Strategie bei der größten CSU-Kundgebung des Jahres für einen Fehler.
Seehofer selbst gibt den Staatsmann, der Leistungen und Spitzenstellung Bayerns herausstellt. „Grüß Gott im gelobten Land Bayern“, sagt er. „Der politische Aschermittwoch findet in Gottes eigenem Wahlkreis statt, in Niederbayern.“ Bayern sei eine Insel der Stabilität, das erste Bundesland, das seine Schulden zurückzahle. Angriffe gegen SPD und Grüne - Fehlanzeige.
Der offizielle Grund für Seehofers Zurückhaltung: Er ist nach dem Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff derzeit kommissarisches Staatsoberhaupt und will deshalb nicht so poltern, wie es am Aschermittwoch üblich ist. Klassische Schmähungen im Stoiber-Stil - („Rot-Grün hat Deutschland in ein Irrenhaus verwandelt“) will Seehofer nicht vorbringen. „Der politische Aschermittwoch ist ein Hochamt“, sagt Seehofer. Der CSU-Chef redet dann auch so getragen, als zelebriere er ein Hochamt. Die Quittung des Publikums: Erst Beifall - und dann donnernde „Edmund, Edmund“-Sprechchöre.
Die selbst auferlegte Zurückhaltung Seehofers halten manche Parteifreunde für übertrieben. Er sei ja nicht Bundespräsident und stehe nur kommissarisch für einen knappen Monat an der Staatsspitze, sagen mehrere Mitglieder der CSU-Spitze. Außerdem sei Seehofer sowieso nie ein Polterer gewesen. Wenn schon ein zweiter Redner, hätte es ein Jüngerer machen können, nicht Stoiber.
„Wer die Vergangenheit wie eine Ikone vor sich her trägt, ist selbst Vergangenheit“, sagt der frühere CSU-Chef Erwin Huber - Nachfolger Stoibers und Vorgänger Seehofers. Er spricht von „Nostalgie“ und einem „Fehler“. Manch andere CSU-Politiker sehen das ähnlich, äußern sich aber nur im Hintergrund. Doch die Stoiber-Fans in der Halle stören solche Überlegungen nicht. „Ich habe immer gehofft, dass er mal wieder spricht“, sagt der Niedersachse Uwe Wehrspaun, der zum 15. Mal nach Passau gekommen ist. Er trägt das Stoiber-Kanzlerkandidaten-T-Shirt aus dem Jahre 2002.
Die Dreiländerhalle ist voll, die Stimmung prächtig, viele Zuschauer finden keinen Sitzplatz mehr. Schon der Einzug Seehofers und Stoibers gerät zu einem zehnminütigen Triumphmarsch. „Wir haben nicht mal eine Gegendemonstration“, stellt der Bundestagsabgeordnete Max Straubinger erstaunt fest. Die Gegendemonstranten vor der Halle gehören eigentlich beim CSU-Aschermittwoch zum Inventar.
Und nachdem Seehofer sein Programm abgespult hat, startet Stoiber. Nach Seehofers Plan sollte Stoiber eigentlich für die Attacke auf SPD, Grüne und andere Gegner zuständig sein. Als das am Wochenende bekanntwurde, reagierte der verstimmt. Den Angriff will er aktiven Politikern überlassen. „Ich beschäftige mich nicht mit den anderen. Ich will mich mit der Zukunft beschäftigen“, sagt er. Doch dann greift Stoiber tief in den Fundus der Vergangenheit - und zitiert sich selbst: „Notfalls müssen die Bayern die letzten Preußen in Deutschland sein“, ruft er. Die Halle jubelt.