Politischer Aschermittwoch: Parteien hauen drauf
München (dpa) - Mit heftigen gegenseitigen Angriffen haben die Parteien beim politischen Aschermittwoch in Bayern einen Vorgeschmack auf den Bundestags- und Landtagswahlkampf 2013 gegeben.
SPD, Grüne und Linke kritisierten vor allem das Verhalten der Koalition in der Wulff-Affäre und das Tohuwabohu bei der Kür von Joachim Gauck zum neuen Bundespräsidenten-Kandidaten. Die in Umfragen am Boden liegende FDP, die sich dabei gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) durchgesetzt hatte, zeigte neues Selbstbewusstein und feierte Parteichef Philipp Rösler. Bayerns Ministerpräsident CSU-Chef Horst Seehofer gab sich hingegen eher zahm.
Rösler bot der Union, in der es nach wie vor Unmut wegen des FDP-Vorgehens gibt, erneut die Stirn. „Wenn man uns droht, lassen wir uns davon nicht einschüchtern, sondern wir werden nur noch größer“, sagte der Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler in Dingolfing. Mit hochgekrempelten Hemdsärmeln gab sich Rösler kämpferisch, auch mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen im Saarland und in Schleswig-Holstein: „Wer sich selbst zum Weißwürstchen macht, darf sich nicht wundern, dass er als solches verspeist wird.“
SPD-Chef Sigmar Gabriel attackierte den zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff, kritisierte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und verspottete die Kandidatensuche der schwarz-gelben Koalition. Merkel habe solche Leute in Amt und Würden gebracht wie Wulff, „der sich wie ein Amigo benimmt, der das Land sich selbst und der CDU zur Beute macht“, sagte Gabriel in Vilshofen. „Es wird Zeit, dass wir nicht nur einen besseren Bundespräsidenten bekommen, sondern auch einen besseren Bundeskanzler oder eine bessere Bundeskanzlerin.“
Auch Grünen-Chefin Claudia Roth griff die Bundesregierung wegen deren Umgangs mit der Wulff-Affäre scharf an. „Es war wirklich ein würdeloses Klammerspiel, das wir in den letzten Wochen erlebt haben“, sagte sie in Landshut. Schwarz-Gelb nannte sie eine „Chaos-Truppe“. Merkel habe zu lange ihre schützende Hand über Wulff gehalten.
Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer hielt sich vor tausenden Anhängern in Passau wegen seiner Doppelrolle als geschäftsführendes Staatsoberhaupt bei der traditionell herben Auseinandersetzung zurück. Er unterstrich die Vorreiterrolle Bayerns in Deutschland. „Wo wir sind, ist oben.“
Fünf Jahre nach seinem Sturz mischte sich der als langjähriger Aschermittwochs-Matador reaktivierte Ex-CSU-Chef Edmund Stoiber wieder in die Tagespolitik ein. Umjubelt von tausenden Anhängern forderte er Fingerspitzengefühl von der derzeitigen CSU-Führung in der Euro-Krise. „Ich stehe im Maschinenraum Europas und erlebe, wie fragil das Ganze ist“, sagte Stoiber, der EU-Beauftragter für Bürokratie-Abbau ist, in Passau.
Zudem forderte er seine Partei indirekt auf, etwaige Vorbehalte gegen den Gauck aufzugeben. Dieser sei eine sehr gute Wahl. „Man kann auch mit dem zweiten Aufschlag ein Ass verwandeln.“
Linken-Chef Klaus Ernst kritisierte in Tiefenbach, Merkel habe bei seine Partei bei der Kandidatenauswahl ausgegrenzt. „Sie macht denselben Fehler der Ausgrenzung wieder. Das finden wir schäbig und unangemessen“, rief Ernst unter dem Jubel von rund 350 Anhängern. Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi sprach von einem „Skandal“.
Gabriel ließ auch an der CSU kein gutes Haar, die am vergangenen Samstag gesagt habe, man sei gegen den neuen Kandidaten Gauck, und ihm am Sonntag dann die Gefolgschaft versprochen habe. „Das ist frei nach Horst Drehhofer - was stört mich mein Geschwätz von gestern?“, sagte der SPD-Vorsitzende. Grünen-Landtagsfraktionschefin Margarete Bause spottete ebenfalls über den plötzlichen Zuspruch der CSU für Gauck. „Da wundert sich der Wetterhahn, wie schnell der Horst sich drehen kann.“
Seehofer erneuerte seine Kritik am Länderfinanzausgleich und forderte von den anderen Ländern mehr Anstrengungen. Bayern zahle das meisten Geld in den Finanzausgleich. Das zeige, dass das System aus dem Ruder gelaufen sei. „Und ein bescheuertes System kann man nicht so lassen“, sagte Seehofer - ein vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) übernommenes Zitat. Seehofer fügte hinzu: „Ich verspreche Euch, Bayern wird das erste schuldenfreie Land in Deutschland sein.“
Rösler nahm auch die SPD-Spitze auf Korn und verspottete sie als „die drei scheinheiligen Könige“ und die „Lehman-Brothers der Sozialdemokratie“. In die gleiche Kerbe schlug CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. „Ich habe schon erklärt: Sigmar Gabriel ist übergewichtig und unterbegabt“, sagte er. „Das war untertrieben. Gabriel ist ein übler Foulspieler.“
Gabriel seinerseits kritisierte den Widerstand von Union und FDP gegen Mindestlöhne, beklagte ein viel zu lahmes Tempo bei der Energiewende und attackierte das von der CSU durchgesetzte Betreuungsgeld für Eltern, die ihre kleinen Kinder zu Hause erziehen. „Wer so etwas fordert, der hat sie nicht alle.“
Kanzlerin Merkel wurde am Nachmittag beim politischen Aschermittwoch der CDU in Demmin in Mecklenburg-Vorpommern erwartet. Auch in anderen Bundesländern wie Baden-Württemberg und dem Saarland - wo demnächst gewählt wird - luden die Parteien zu derartigen Veranstaltungen.