Analyse: Der mühsame Kampf gegen die Steuerflucht

Berlin (dpa) - Die Suche nach Steuerflüchtlingen ist mühsam - so lange die Staaten nicht besser kooperieren, fast aussichtslos. Die Bundesregierung hofft, dass die von Medien enthüllten Steuerdaten den Druck erhöhen.

„Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, sie ist kriminell.“ In diesem Sinne ließ sich der heutige schleswig-holsteinische Ministerpräsident als Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Torsten Albig (SPD), wiederholt ein, als es um deutsche Steuerflucht in die Schweiz oder nach Liechtenstein ging. Die damalige Regierung hatte auch vor dem Hintergrund der Banken- und Finanzkrise den Druck auf die beiden Nachbarstaaten erhöht. Steuer-CDs brachten etliche Selbstanzeigen aufgeschreckter Steuerflüchtlinge. In einigen Fällen wurde die zuständige Staatsanwaltschaft tätig.

Ein prominenter Fall war der damalige Postchef Klaus Zumwinkel. Er wurde Anfang 2009 nach einem umfänglichen Geständnis zu 24 Monaten auf Bewährung und einer Geldstrafe von einer Million Euro verurteilt. Nicht selten laufen Steuerdelikte allerdings auf einen Vergleich hinaus. Das kommt den Steuerbetrügern entgegen, hilft aber auch dem Fiskus: Der bekommt zumindest einen Teil der hinterzogenen Steuern. Er geht zudem einem langwierigen Verfahren aus dem Weg, dessen Ausgang angesichts vieler Schlupflöcher im Steuerrecht völlig offen ist. In aller Regel können sich gerade Unternehmen oder Menschen, die Millionen Steuern hinterziehen, entsprechend geschulten Rechtsbeistand leisten.

Der ehemalige Vorzeige-Manager Zumwinkel stand bei dem Prozess unter intensiver öffentlicher Beobachtung. Ein umfangreiches Geständnis war daher erwartbar. Der Vorgang zeigt aber das Dilemma, in dem der deutsche Fiskus steckt, wenn er gegen Steuerflüchtlinge vorgehen will. Denn diejenigen, bei denen es sich lohnt nachzuforschen, haben nicht nur gute Rechts- und Steuerberater. Sie hinterziehen Steuern vor allem im Ausland.

Auch wenn der deutsche Fiskus einen Verdacht hat, kommt er im Ausland nur schwer an Unterlagen. Ein vernünftiger internationaler Informationsaustausch wäre nötig, wie ihn etwa die OECD vorgeschlagen hat. Den verweigern aber nicht nur sogenannte Steueroasen oder Steuerparadiese, deren Geschäft gerade das Steuersparmodell für Ausländer ist. Auch mit befreundeten Staaten ist er äußerst schwierig.

Der deutsche Staat, das machte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) deutlich, ist als Exportland auf international agierende Unternehmen und Banken angewiesen. Und jeder Staat habe seine eigenen Interessen, sagte sein Sprecher Martin Kotthaus: „Selbst in der EU sind Steuerfragen nur einstimmig zu erreichen. (...) Ein einziger Staat kann sagen: Nein, in dem Bereich kann ich das nicht mitmachen. Sie haben das an der Finanztransaktionssteuer gesehen.“

Kotthaus klagte am Freitag: „Das ist ein langer, das ist ein mühsamer Weg.“ Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass die Finanz- und Bankenkrise eine Veränderung der Mentalität in den einzelnen Ländern bewirkt habe. Langsam mache sich die Einsicht breit, dass man sich nicht mehr gegenseitig ausspielen lassen sollte. Modelle, mit denen legal oder illegal Steuern gespart würden, seien bekanntgewesen. Die jetzige Datenfülle sei jedoch neu. Er könne nicht bewerten, was darinstehe. Aber der bloße Druck auf die Steuerhinterzieher helfe schon weiter, sagte der Sprecher. Er warb nochmals dafür, seinem Haus die Daten der Medien zu übergeben. „Wir empfinden die Enthüllung als Beflügelung.“

Kotthaus wie Schäuble vermieden es, im Ringen um ein einheitliches Vorgehen mit dem Finger auf einzelne Staaten zu zeigen. Doch Schäuble ließ es sich im Deutschlandfunk dann doch nicht nehmen, die Unterschiede zwischen den USA und Deutschland hervorzuheben. Zu oft ist ihm von der Opposition das angeblich gute Steuerabkommen Washingtons mit der Schweiz unter die Nase gehalten worden.

Die USA könnten schließlich auch nur auf die ausländischen Banken Einfluss nehmen, die sich am amerikanischen Finanzplatz New York tummelten, argumentierte Schäuble. Da das der größte Finanzplatz der Welt ist, ist der US-Zugriff entsprechend groß. Im Übrigen hätten die USA mit dem Bundesstaat Delaware auch im eigenen Land Regionen mit niedrigen Steuersätzen. Deutlicher kann man die unterschiedliche Interessenslage selbst unter Freunden nicht dokumentieren.

Mühsam ist indessen auch die Zusammenarbeit in Deutschland selbst. Für die aufwendigen Verhandlungen mit anderen Staaten ist die Bundesregierung zuständig, für die Verfolgung von Steuerdelikten die Länder beziehungsweise deren Staatsanwaltschaften. Angesichts der politischen Gemengelage in Bundestag und Bundesrat ein schwieriges Unterfangen - wie der Streit darüber, ob ein deutsches Steuerabkommen mit der Schweiz mehr Steuergelder einbringt als Steuer-CDs, die auf dubiosen Wegen in die Hand der Länder gelangen.