Hintergrund: Steueroase Deutschland?

Berlin (dpa) - Palmenstrand, türkis-blaues Wasser und eine Scheinfirma, um Millionenbeträge steuerfrei zu parken: Beim Begriff „Steueroase“ drängt sich das Bild paradiesischer Inselstaaten in der Karibik oder im Südpazifik auf.

Auch bei den jüngsten Enthüllungen werden etwa die Britischen Jungferninseln und die Kaimaninseln an den Pranger gestellt. Dass Industriestaaten wie Deutschland, die USA und Japan ebenfalls Steuerflucht und die Verschleierung von Finanzgeschäften begünstigen, wird dabei oft übersehen. In einem Negativ-Ranking des Netzwerks Steuergerechtigkeit (TJN) sind diese drei Länder sogar unter den ersten zehn Plätzen.

Die Rangliste erstellte das internationale Netzwerk mit einem eigenen Transparenz-Index. Dieser untersucht einerseits, in welchem Maße einzelne Länder finanzielle Verschwiegenheit befördern und so die Aufklärung von Steuerdelikten erschweren. Dazu gehören etwa Bankgeheimnisse, aber auch Vorschriften, die Trusts, Unternehmen oder Stiftungen zulassen, deren Eigentümer, Funktion oder Zweck verschwiegen werden dürfen. Dieses Maß an Transparenz wird mit der Bedeutung eines Landes als Finanzzentrum ins Verhältnis gesetzt.

Deutschland und Frankreich beherbergten dank ihrer Verschwiegenheit große Summen illegaler Vermögenswerte aus anderen Ländern, heißt es im TJN-Bericht. Die weltweit wichtigsten Häfen finanzieller Verschwiegenheit sind danach nicht nur kleine Urlaubsinseln, sondern einige der größten und reichsten Länder der Welt. Die Platzierungen von USA (5), Japan (8), Deutschland (9) und Großbritannien (13) belegen dies. Den Spitzenplatz im Steueroasen-Ranking hat die Schweiz inne.

Viele Steueroasen erheben weniger Steuern als andere Länder oder Gemeinden, der Begriff ist also relativ. Auch innerhalb Deutschlands gibt es Schlupflöcher. Norderfriedrichskoog in Nordfriesland etwa galt lange als Steuerparadies. Bis 2004 erhob die Gemeinde weder Gewerbe- noch Grundsteuer, so dass Firmen dort viel Geld sparen konnten. Bis zu 400 Unternehmen hatten dort zeitweise eine Adresse.

Die ehemalige Deutsche Bank-Tochter DB Value, die bedeutende Aktienpakete verwaltete, bezog 2003 etwa Büroräume im Feuerwehrhaus der heutigen Gemeinde Lützen in Sachsen-Anhalt. In dem Dorf war die Gewerbesteuer fast um die Hälfte niedriger als im deutschen Durchschnitt. Heute verwaltet die DB Enterprise GmbH mit Sitz in Lützen Aktienpakete, und der Faktor, nach dem sich die Höhe der Abgaben berechnet (Hebesatz) ist mit 233 Prozent nach wie vor niedrig. Den Mindesthebesatz von 200 Prozent bei der Gewerbesteuer erhoben im Jahr 2011 in Deutschland 27 Gemeinden.