Analyse: Erster empfindlicher Rückschlag für Nahles

Berlin (dpa) - Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sah etwas angespannt aus, als sie die Arbeitsmarktzahlen für Februar kommentierte. Dabei hätte sie allen Grund gehabt, sich darüber zu freuen.

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Die Ursache für den Ärger lag im Kanzleramt.

Amtschef Peter Altmaier (CDU) hatte ihre Änderung der Arbeitsstättenverordnung nach dem Koalitionsausschuss am vergangenen Dienstag vorerst kassiert.

Unverständlich findet Nahles das. Sie habe ihre Verordnung für besseren Arbeitsschutz im vergangenen Jahr in die Ressortabstimmung gegeben, dann sei sie durchs Kabinett gegangen, dann habe der Bundesrat nach drei Änderungswünschen 16:0 zugestimmt, dann ging sie wieder in die Ressortabstimmung - „und dann gab es einen Brief von Herrn Kramer.“

Bis zum Schreiben von Arbeitgeber-Präsident Ingo Kramer lief für Nahles alles wie gewohnt relativ reibungslos. Kramer trat im Verfahren zum neuen Arbeitsschutz in der Tat spät auf den Plan. Er warnte vor überbordender Bürokratie und sprach von einem „Absurdistan“. Nahles fasste die Einlassungen Kramers als persönlichen Angriff auf.

Die Arbeitgebervereinigung BDA kritisiert etwa die Vorschrift, dass Firmen die Arbeitsplätze ihrer Mitarbeiter, die von zu Hause arbeiten, auf das vorgegebene Maß kontrollieren sollten. Zudem sollten angeblich auch wenig genutzte Räume wie Firmenarchive eine bestimmte Temperatur oder Sanitärräume ein Fenster haben. Besonders nahmen die Arbeitgeber eine Vorschrift auf die Schippe, wonach künftig abschließbare Spinde Pflicht sein sollten.

Viele Vorwürfe konnte das Nahles-Ministerium unter Verweis auf den im Internet zugänglichen Entwurf entkräften. Nahles signalisierte aber auch Kompromissbereitschaft. Gerade das Thema Spinde habe sie gar nicht zu verantworten. Das sei auf Wunsch des CDU-geführten Sachsen in die Änderungen aufgenommen worden. Ihr Herz hänge nicht an abschließbaren Spinden. Doch da war es wohl schon zu spät.

Bis zu einem gewissen Grad ist Nahles wohl selber an der verfahrenen Situation schuld. Drei Jahre Beratung hatte es gegeben - auch die Arbeitgeber waren in einem von der Öffentlichkeit unbemerkten Fachgremium beteiligt. Nun wollte Nahles nicht wieder ganz von vorne anfangen. Also wollte sie die Änderungen beim Arbeitsschutz zunächst in der jetzigen Form durchsetzen, um dann die bereits absehbaren Nachbesserungswünsche in einer Änderung der Änderung unmittelbar hinterherzuschicken.

Für die Union dürfte sich an der Stelle die Frage auftun, ob der Bundesrat nach der Nahles-Version tatsächlich auch die von ihr gewünschten Nachbesserungen passieren lässt. Denn Union und SPD haben in der Länderkammer keine ausreichende Mehrheit.

Als Arbeitsministerin hatte Nahles bisher einen guten Lauf. Alles ging überraschend reibungslos, obwohl Nahles mit Rente, Mindestlohn und Tarifeinheit mit die schwierigsten Themen in der Koalition zu stemmen hat. Erste Erfolge brachten ihr Anerkennung in den eigenen Reihen ein - und auch beim Koalitionspartner CDU/CSU, weil sie immer wieder viel Zeit für das Gespräch mit den Unions-Angeordneten nimmt sowie sachlich und umsichtig agiert.

Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schaute ihrer jungen, Energie geladenen Ministerin zunächst wohlwollend zu. Beide Frauen schätzen sich, heißt es in Koalitionskreisen. Doch nun wollte Merkel in der Koalitionsrunde etwas Fahrt aus den strittigen Themen nehmen - und bremste ihrer Arbeitsministerin mittels des Kanzleramtschefs Altmaier vorerst etwas aus. Bereits im Januar sollte die Verordnung ins Kabinett, wurde aber zum Verdruss der Nahles-Leute damals schon vertagt.

In SPD-Kreisen sprach man nach der Koalitionsrunde zunächst von einem Deal. Man wollte wichtige Projekte wie Mietpreisbremse und den Mindestlohn nicht gefährden und gab beim Arbeitsschutz nach, zumal Altmaier übermittelt habe, er bekomme die Arbeitsstättenverordnung nicht auch noch durch. Spannend wird es in den kommenden Monaten - Nahles will gemäß Koalitionsvertrag Wildwuchs bei Werkverträgen und Leiharbeit eindämmen. Ihr größter Kritiker bei dem Unterfangen: Arbeitgeberpräsident Kramer.