Analyse: Euro-Partner geben Berlin letzte Atempause
Brüssel (dpa) - Es sollte - wieder einmal - ein Gipfel der ganz wichtigen Entscheidungen werden. Aber das Motto in Brüssel heißt Warten - Warten auf das große Deutschland.
Beim Frühjahrs-Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs an diesem Donnerstag und Freitag in Brüssel soll es noch doch keine Beschlüsse zur Aufstockung der europäischen Rettungsfonds EFSF und ESM geben. Denn Berlin braucht mehr Zeit.
Unterdessen steigt der internationale Druck auf die Europäer, im Kampf gegen die gefährliche Schuldenkrise die Schutzmauern zu verstärken. Es geht dabei insbesondere um die Aufstockung des ständigen Rettungsschirm ESM, der am 1. Juli kommen und bisher 500 Milliarden Euro umfassen soll.
US-Finanzminister Timothy Geitner meint, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) kein „Ersatz für das Nichtvorhandensein eines stärkeren Schutzschirms in Europa sein kann“. Aus der Gruppe der G20-Staaten wird ganz unverblümt gefordert, dass die Europäer mehr Geld in die Hand nehmen müssen, um die Krise zu beherrschen. Dies sei Vorbedingung für eine Stärkung des IWF, um die traditionsreiche Washingtoner Finanzfeuerwehr besser für die Schuldenkrise zu rüsten.
Ende Januar hatten die 17 Staats- und Regierungschefs des Eurogebiets ausdrücklich bestätigt, dass noch im März über die Aufstockung der Rettungsfonds gesprochen wird. Der Monat ist noch lang, und Berlin zeigt sich bereit, erneut zu beraten. Unklar ist noch, auf welcher Ebene dies geschehen wird. „Vielleicht machen das auch die Euro-Finanzminister unter Jean-Claude Juncker“, meint ein Diplomat. Berlin habe die Tür immerhin nicht zugeschlagen.
Der Wirtschaftsgigant und Defizit-Musterschüler stehe bei den Schutzwällen weitgehend isoliert da, sagen die Experten. Es habe aber keinen Sinn, öffentlich Druck aufzubauen, da Berlin für die Eurorettung unentbehrlich sei und auch die größten Lasten zu tragen habe. Sie ist Berlin bei den geplanten Bar-Einlagen für den ESM-Fonds mit etwa 22 Milliarden Euro dabei. Die Abstimmung im Bundestag am Montag über die Griechenland-Hilfen habe trotz der großen Mehrheit gezeigt, mit welchen Widerständen Kanzlerin Angela Merkel im eigenen Land zu kämpfen habe.
Inzwischen deutet selbst Den Haag als der treueste Alliierte bei den Brüsseler Hardlinern Kompromissbereitschaft an. „Wir sind zu einer Fusion der beiden zur Verfügung stehenden Fonds bereit, um so über eine Schlagkraft von 750 Milliarden Euro zu verfügen“, sagte der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager der „Rheinischen Post“ (vom Dienstag).
Da sich die Konjunkturaussichten in Europa weiter eintrüben, kommen die „Chefs“ am Thema Wachstum nicht vorbei. „Auch wenn die Haushaltsdisziplin fortgesetzt wird, müssen Investitionen in künftiges Wachstum Priorität erhalten - mit dem Schwerpunkt auf Ausbildung, Forschung und Innovation“, heißt es im neuesten Entwurf für die Schlusserklärung des Gipfels. Ein Dutzend Staatenlenker hatte vor dem Treffen konkrete Wachstumsmaßnahmen gefordert - Deutschland und Frankreich waren nicht dabei, aber Großbritanniens Premier David Cameron oder Italiens Mario Monti.
In Krisenzeiten setzt die EU auf Kontinuität: Der stille Belgier Herman Van Rompuy (64) soll für weitere zweieinhalb Jahre den Gipfeltreffen führen. Über den von Kanzlerin Merkel geforderten Sparpakt für mehr Haushaltsdisziplin wird kaum noch gesprochen. Der Vertrag soll am Freitag unterschrieben werden - es steht dann noch die Billigung in den Teilnehmerländern an. Ein Glanzstück europäischer Einigkeit ist der Pakt nicht: Großbritannien und Tschechien bleiben bei diesem rechtlich außerordentlich komplizierten Abkommen außen vor.