Analyse: EZB rückt zum Feuerwehreinsatz aus
Frankfurt/Main (dpa) - Die Notenbanken rund um den Globus stemmen sich gemeinsam gegen die Krise: Sie wollen Geschäftsbanken leichter, billiger und länger mit US-Dollar versorgen.
Die ersten Reaktionen auf die Ankündigung vom Mittwoch fielen entsprechend euphorisch aus: Der Dax schoss nach oben und sprang deutlich über die Marke von 6000 Punkten. Das Eingreifen der führenden Zentralbanken nährt die Hoffnung, dass die Europäische Zentralbank (EZB) schon bald aggressiver gegen die Euro-Schuldenkrise ansteuern wird.
„Die EZB muss klarmachen, dass sie notfalls bereit ist, unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen“, fordert der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding. Nur so könne verhindert werden, dass auch eine große Volkswirtschaft wie Italien sturmreif geschossen werde und dann der Euro als Ganzes in Gefahr gerate. „Sollte die Euro-Krise auf Italien übergreifen, kann nur noch die EZB die Euro-Zone und den Euro retten“, betont Schmieding.
Bislang wehrt sich die EZB gegen eine unbegrenzte Finanzierung der Schuldenkrise mit Hilfe der Notenpresse. Der seit November amtierende Notenbank-Präsident Mario Draghi spielte erst vor knapp zwei Wochen der Politik den Ball zurück und warnte vor einer Aushöhlung der Geldpolitik: „Glaubwürdigkeit kann man schnell verlieren - und die Geschichte zeigt, dass ihre Wiederherstellung hohe wirtschaftliche und soziale Kosten verursacht.“
In der Bundesbank, traditionell Verteidigerin einer unabhängigen Geldpolitik, wird man die Worte des Italieners Draghi gern vernommen haben. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann mahnt gebetsmühlenartig davor, Staatsschulden über die Notenbankbilanz zu finanzieren, indem die EZB - und damit zum größten Teil die Bundesbank - quasi unbegrenzt Anleihen von Schuldenstaaten aufkauft.
Auch die deutsche Politik stemmt sich bislang erfolgreich gegen solche Begehren, unter anderem aus Frankreich. In Deutschland ist auch die Sorge vor einer ausufernden Inflation groß. Schon dass die EZB seit Mai 2010 in begrenztem Umfang Anleihen von Schuldenstaaten wie Griechenland, Portugal und Italien kauft, geht vielen zu weit. Am Mittwoch forderte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle: „Die EZB muss raus aus diesem Geschäft.“ In Deutschland ist das keine Einzelmeinung.
Doch Berenberg-Volkswirt Schmieding ist sich sicher, dass die Bundesbank - und damit auch die deutsche Öffentlichkeit - ihre abwehrende Haltung gegen einen quasi unbegrenzten EZB-Einsatz eher kurz- als langfristig wird aufgeben müssen. „Es geht nicht darum, eine bestimmte Menge Anleihen zu kaufen. Es geht darum, die verunsicherten Anleger der Welt mit einem glaubwürdigen Signal zu beeindrucken“, sagt Schmieding. Anleihenkäufe müssten auf jeden Fall an ein von einer unabhängigen Stelle überwachtes Reformprogramm der jeweiligen Staaten geknüpft werden.
Als positives Beispiel gilt die Schweizer Notenbank: Sie stoppte im September den Höhenflug des Franken durch ein massives Eingreifen an den Devisenmärkten. Die Schweizer Notenbank verkauft seitdem unbegrenzt Franken mit dem Ziel, keinen Wechselkurs zum Euro unterhalb von 1,20 Franken zu akzeptieren. Auch die US-Notenbank Fed und die Bank of England (BoE) steckten etliche Milliarden mehr in den Kauf von Anleihen als die EZB.
Die gemeinsame Aktion von EZB, Fed sowie den Zentralbanken von Japan, Großbritannien, Kanada und der Schweiz vom Mittwoch verschafft zunächst einmal vor allem den in Finanznöte geratenen Geschäftsbanken eine Atempause. Zuletzt waren viele Institute nur noch mit Mühe an Geld gekommen. Wegen der Verunsicherung über den Fortgang der Schuldenkrise verliehen sie untereinander kaum noch etwas. Vor allem US-Dollar wurden für viele europäische Institute knapp, die kein eigenes Einlagengeschäft in den USA hatten. In der Folge baute etwa die französische Großbank Société Générale Risiken in Dollar ab und nahm dafür sogar Verluste in Kauf.
Der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) begrüßte das Vorgehen der Notenbanken: „Diese konzertierte Maßnahme wird das Vertrauen in die Bankenmärkte verbessern. Zudem ist der breite internationale Konsens auch geeignet, Ruhe in die internationalen Finanzmärkte zu bringen.“ Berenberg-Chefvolkswirt Schmieding erwartet weitere Schritte: „Die Zentralbanken haben verstanden, wie ernst die Lage ist. Eine solche Aktion wie heute weckt die Hoffnung, dass die EZB bereit ist, noch mehr zu machen.“