Misstrauen im Bankensystem wächst
Frankfurt/Main (dpa) - Angesichts der ungelösten Schuldenkrise nehmen die Spannungen im europäischen Bankensystem weiter zu. Das Misstrauen der Institute untereinander wächst, erkennbar daran, dass sie immer mehr Geld bei der EZB parken, statt es sich gegenseitig zu leihen.
Notenbanken wie die Federal Reserve in den USA und die EZB in Europa reagierten am Mittwoch: Sie griffen in einer abgestimmten Aktion am Geldmarkt ein. Ziel: Mehr flüssige Mittel für das weltweite Finanzsystem bereitzustellen, um damit Spannungen an den Märkten abzubauen, hieß es bei der EZB. Die Börsen feierten das mit kräftig steigenden Kursen.
Der Kreditwirtschaft weht auch bei den Ratingagenturen rauer Wind entgegen: Dieses Mal versetzt Branchenprimus Standard & Poor's (S&P) mit einem weltweiten Rundumschlag über 37 Institute hinweg vor allem die US-Bankenwelt in Aufruhr. Die deutschen Institute kommen dagegen glimpflich davon. Derweil wartet die Branche weiter mit Spannung auf den neuen Stresstest der Europäischen Bankenaufsicht (EBA). Er soll Aufschluss geben, wieviel frisches Kapital die großen Institute zusätzlich brauchen, um krisenfest zu werden. Die Banken klagen über immer schärfere Auflagen und tragen mehr Einlagen zur Europäischen Zentralbank (EZB).
Am Mittwoch näherten sich die eintägigen Einlagen der Geschäftsbanken bei der Notenbank der Marke von 300 Milliarden Euro. Die sogenannten „Übernacht-Einlagen“ summierten sich zuletzt auf 297,1 Milliarden Euro. Die Schwelle von 300 Milliarden Euro war zuletzt im Sommer 2010 im Zuge der ersten Griechenland-Krise überschritten worden. Ähnlich wie in der Finanzkrise 2008 ist der sogenannte „Interbankenhandel“, der normalerweise vollkommen reibungslos funktioniert, erneut erheblich gestört. Hintergrund ist aktuell das starke Engagement europäischer Banken in Staatsanleihen angezählter Euro-Länder wie Italien.
Auch der zunehmend kritische Blick von S&P versteht sich vor dem Hintergrund der brodelnden Schuldenkrise in Europa - und der schwächelnden Wirtschaft in den USA. An der Börse bewegte das S&P am Mittwochvormittag mehr die Gemüter, als die Beschlüsse der EU-Finanzminister zur Stärkung des Rettungsschirms EFSF, die als „mehr oder minder erwartet“ eingestuft wurden. S&P senkte im einzelnen die Bewertung der Citigroup, Bank of America, Goldman Sachs, Morgan Stanley und von Branchenprimus JPMorgan Chase jeweils um eine Stufe.
Dasselbe Urteil traf die schweizerische UBS und die britischen Branchenvertreter HSBC, Royal Bank of Scotland sowie Barclays. Die französischen Banken Société Générale und BNP Paribas konnten sich hingegen über eine Bestätigung des Ratings freuen. Auch die Deutsche Bank behält ihre gute Note „A+“ bei. Allerdings senkte S&P den Ausblick von „stabil“ auf „negativ“. Das bedeutet, dass in der Zukunft eine Herabstufung droht. Die Commerzbank lebt bereits mit diesem Makel. S&P hielt die Bewertung aber weiterhin stabil bei einem befriedigenden „A“.
Schlechtere Ratings bedeutet, dass es für die Großbanken nun teurer werden dürfte, frisches Kapital aufzunehmen. Denn Investoren lassen sich ein höheres Risiko, dass sie ihr Geld verlieren könnten, mit höheren Zinsen bezahlen.
Unmittelbar folgenreicher dürften die für die kommenden Tage erwarteten Ergebnisse des neuen Stresstests werden. Informationen aus Finanzkreisen zufolge sind es in Deutschland mit Commerzbank, Deutscher Bank, den Landesbanken LBBW und NordLB und dem genossenschaftlichen Spitzeninstitut DZ Bank fünf Häuser, bei denen der Stresstest eine Kapitallücke ausmachen wird. Bis Juni 2012 verlangt die EBA von Geldhäusern mindestens eine harte Kernkapitalquote von 9,0 Prozent, denn Kernkapital gilt als Puffer für Krisenzeiten.
Aus Sicht des Bankenverbandes ist die Kreditwirtschaft in der aktuellen Schuldenkrise auch Leidtragender falscher Signale aus der Politik. „Manche Banken haben 2008 ihre Staaten in Schwierigkeiten gebracht, jetzt aber bringen manche Staaten ihre Banken in Probleme“, sagte der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Andreas Schmitz, dem Anlegermagazin „Börse Online“. „Wir wurden im vergangenen Jahr von der Bundesregierung dazu aufgefordert, unsere Griechenland-Bonds zu halten. Es heute als Spekulation zu bezeichnen, dass Banken stark in diesen Staatsanleihen engagiert sind, ist unfair“, kritisierte Schmitz.