Analyse: Feuerball bringt Blut und Zerstörung

Tscheljabinsk/Moskau (dpa) - Feuerball aus dem Weltall: Mit explosiver Wucht donnert ein Meteorit auf die russische Provinz in der Nähe der Millionenstadt Tscheljabinsk nieder. Fensterscheiben zerbersten, als die gewaltige Druckwelle zur Hauptverkehrszeit am Freitag die Region am Uralgebirge erschüttert.

„Ich dachte, ein Flugzeug stürzt ab“, sagt ein Augenzeuge. Amateurvideos zeigen, wie die glühende Kugel am blauen Winterhimmel eine qualmige Spur zieht. Weil viel Glas zu Bruch geht, erleiden Hunderte Menschen schwere Schnittwunden. Dutzende Verletzte müssen die Risse in Kliniken nähen lassen.

„Furchtbar war es, dieses Blut überall im Krankenhaus zu sehen - Blut auf dem Boden, am Holz der Türklinken“, berichtet die Augenzeugin Swetlana Popowa. Sie selbst habe am Fenster gestanden, als eine explosive Druckwelle die Scheiben zerdrückt habe. „Ich habe gleich die Hände vors Gesicht gehalten, aber trotzdem ein paar Kratzer bekommen“, sagt sie.

Russische Staatsmedien zeigen blutüberströmte Menschen, die an dem eisigen Freitag bei minus 20 Grad schockiert sind. Viele sind entsetzt darüber, dass sie die Gefahr aus dem All ohne Warnung trifft.

Das Fernsehen zeigt, wie Menschen fluchtartig ihre Wohnungen verlassen - aus Angst vor weiteren Geschossen. Aber die Behörden geben Entwarnung. Aufgeregt und nach Luft ringend erzählen viele, wie sie die „kosmische Attacke“ völlig kalt erwischt hat. Sie warten nun, dass ihre Fenster repariert werden.

Hunderte Gebäude sind betroffen. Schulen und Kindergärten schließen vorläufig. Die Behörden rufen Unternehmen auf, ihre Mitarbeiter zum Helfen nach Hause zu schicken. Auch ein Markt des Düsseldorfer Konzerns Metro wird beschädigt. Zwei russische Mitarbeiter tragen von geborstenen Scherben leichte Wunden davon.

Über Stunden können sich viele Russen in dem betroffenen Gebiet rund 1500 Kilometer von Moskau entfernt keinen Reim auf das Geschehen machen. Spekulationen schießen zeitweilig ins Kraut, wonach möglicherweise eine fehlgeleitete Rakete in der Luft explodiert sei.

Auch Kremlchef Wladimir Putin zeigt sich betroffen. Immerhin liegen in der Region jede Menge wichtige Atomanlagen. Sie sind wie durch ein Wunder verschont geblieben, heißt es. Putin fordert nun ein Frühwarnsystem für einen besseren Schutz. Der für die Raumfahrtindustrie zuständige Vize-Regierungschef Dmitri Rogosin will sogar über ein militärisches Abwehrsystem gegen gefährliche Objekte aus dem All nachdenken.

Im Blickfeld der Russen stehen jetzt aber besonders die Astronomen, die die Katastrophe nicht vorhersehen konnten. Die Experten streiten an diesem Tag nicht zuletzt darüber, ob es einen Zusammenhang zu dem Asteroiden „2012 DA14“ geben könnte, der noch am Freitag knapp an der Erde vorbeisausen sollte. Es gibt aber wohl keine Verbindung.

Experten schätzen, dass der Brocken aus dem All zehn Tonnen schwer gewesen sein könnte, bevor er mit einem Tempo von bis zu 20 Kilometern pro Sekunde in die Erdatmosphäre eingedrungen sei. So stellt es die Russische Akademie der Wissenschaften in Moskau dar. Möglicherweise sei der Meteorit dann in einer Höhe zwischen 30 und 50 Kilometern explodiert und zerfallen. Die Teile hätten extrem grelles Licht und eine starke Druckwelle erzeugt.

„Nach meinen Beobachtungen bewegte sich eine brennende Kugel von Südosten nach Nordwesten“, berichtet der Chef der örtlichen geografischen Gesellschaft, Sergej Sacharow. „Bei drei Explosionen gab es helle Blitze, die Temperaturen von 2500 Grad Celsius erzeugt haben dürften“, meint er. Aber viele Fragen seien noch zu klären - etwa zur Beschaffenheit des Meteoriten. Militär suchen indes fieberhaft am See Tschebarkul rund 80 Kilometer westlich von Tscheljabinsk nach Teilen des abgestürzten Meteoriten.